Handout zu den Aktionen zum Gedenken an Achidi John im Jahr 2021
(überarbeitet im Oktober 2024)
Nichts ist vorbei – Niemand ist vergessen!
Institutioneller Rassismus:
Die Kriminalisierung Schwarzer Menschen als potentielle Drogenhändler und polizeiliche Zielgruppe für „Brechmitteleinsätze“ in Hamburg.
Einleitung
In den Jahren 2001 bis 2020 führte die Polizei Personen, die sie des Straßenhandels mit illegalisierten Drogen verdächtigte, und bei denen sie bei der Festnahme Schluckbewegungen beobachtet haben wollte, dem Institut für Rechtsmedizin (IfR) am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) zu.
Bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) am 11. Juli 2006[1] wurde den davon betroffenen Personen, bei denen es sich fast ausschließlich um Schwarze junge Männer handelte, befohlen, das Brechmittel Ipecacuanha zu trinken. So sollten Drogenbehältnisse, von denen die Polizei annahm, dass sie von den Betroffenen verschluckt worden waren, zu Tage befördert werden. Wer das Brechmittel nicht trinken wollte, dem wurde angedroht, es ihm mit Gewalt mittels einer Nasen-Magensonde einzuflößen. Wer sich dann immer noch wehrte, blieb oder wurde gefesselt, von Polizeibeamt*innen festgehalten, während die/der diensthabende Rechtsmediziner*in ihm einen Schlauch durch Nase und Speiseröhre in den Magen einführte und 30 ml des Brechmittels Ipecacuanha und einen knappen Liter Wasser durch den Schlauch in den Magen pumpte. Ungefähr 30 Minuten später mussten die Betroffenen sich erbrechen.
Infolge dieser Prozedur fiel am 9. Dezember 2001 Achidi John aus Nigeria ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte, bis am 12. Dezember 2001 die intensivmedizinische Behandlung abgebrochen und er für tot erklärt wurde. Die sogenannten „Brechmitteleinsätze“ wurden danach ohne Unterbrechung fortgeführt.
In Bremen, wo bereits seit 1992 Brechmittel verabreicht wurden, verstarb am 7.1.2005 Laye Alama Condé aus Sierra Leone, nachdem ihm im Bremer Polizigewahrsam ebenfalls zwangweise per Nasen-Magensonde das Brechmittel beigebracht worden war.
Nach der Entscheidung des EGMR erfolgte keine zwangsweise Brechmittelvergabe mehr. Nach wie vor fuhr die Hamburger Polizei die betroffenen Menschen bis zum Jahr 2020 aber immer noch zum IfR wo ihnen nahe gelegt wurde, das Brechmittel „freiwillig“ zu sich zu nehmen.
Die Vorgeschichte: Anfänge des racist[2] profiling im Zusammenhang mit der Kriminalisierung Schwarzer Menschen als potentieller Drogenhändler in den 1990er Jahren
Die Kriminalisierung Schwarzer Menschen als potentielle Drogenhändler in den 90er Jahren begann vor dem Hintergrund der Debatte um den sogenannten „Asylkompromiss“ in den Jahren 1990 und 1991. Die damit verbundene Hetze gegen Geflüchtete fand im Schlagwort vom „Asylmissbrauch“ ihren prägendsten Ausdruck. Gefordert wurden vor allem von der politischen Rechten beschleunigte Abschiebungen und die Reduzierung von Asylsuchenden in Hamburg. Aber auch z.B. der SPD-Politiker und Hamburger Innensenator Werner Hackmann plädierte im Sommer 1991 für eine Änderung des Grundgesetzes, um den „ungehinderten Zustrom“ von Asylsuchenden zu stoppen[3].
Gleichzeitig entwickelten die Hamburger Innenbehörde und die Polizei Konzepte, mit denen die Drogenszene rund um den Hamburger Hauptbahnhof und im an diesen angrenzenden Stadtteil St. Georg beseitigt oder zumindest verdrängt werden sollte. Das wurde durch Änderungen im Hamburger Polizeirecht, die im August 1991 in Kraft traten, erleichtert. Sie ermöglichten im Rahmen einer „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ unbegründete Personenkontrollen an sogenannten „gefährdeten Orten“[4], die die weiteren Möglichkeiten, Leute mit „Platzverweisen“ zum Verlassen bestimmter Orte zu zwingen oder sie in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen, eröffneten.
Das politische Interesse, einerseits möglichst viele Geflüchtete möglichst schnell aus der Bundesrepublik Deutschland abzuschieben, deckte sich, jedenfalls was den Mikrokosmos des Stadtteils am Hamburger Hauptbahnhof betraf, mit dem Interesse, möglichst viele vermeintlich einer offenen Drogenszene zugerechnete Menschen aus dieser Umgebung zu verdrängen.
Am 12.9.1994 trat Innensenator Werner Hackmann von seinem Amt zurück und löste damit den „Hamburger Polizeiskandal“ aus. Ihm waren aus der Polizei heraus so viele Berichte über rassistische Verhaltensweisen und teils rechtsradikale Einstellungen von Polizeibeamt*innen bekannt geworden, dass er die Konsequenzen zog. Er wolle angesichts des „unseligen Korpsdenkens“ und der rechtsradikalen Tendenzen in der Polizei ein politisches Zeichen setzen[5].
Die Hamburgische Bürgerschaft setzte daraufhin den Untersuchungsausschuss „Hamburger Polizei ein, der vom 14.10.1994 bis zum 9.11.1996 in 57 Sitzungen tagte, in denen er Zeug*innen auf Grundlage von Erkenntnissen aus Akten der Innenbehörde und der Polizei sowie aus Ermittlungsakten in Verfahren gegen Polizist*innen vernahm. Ein Komplex des Untersuchungsauftrages der Bürgerschaft befasste sich mit den Vorwürfen gegen Polizeibeamt*innen des Polizeireviers 11 in der Kirchenallee in Hamburg-St. Georg und dem Einsatzzug Mitte I der Polizei, der die Beamt*innen der Wache 11 zeitweise bei ihrem Einsatz gegen die Drogenszene unterstützte[6].
Es ging dabei weit überwiegend um Fehlverhalten von Polizeibeamt*innen gegenüber „Ausländern“, in aller Regel Geflüchteten oder Migrant*innen aus afrikanischen Ländern.
Die Vorwürfe gegen die Beamt*innen reichten von Beleidigungen, Schikanen, Rempeln, Schlägen, dem Besprühen In-Gewahrsam-Genommener mit Desinfektionsmitteln, Raumspray und Tränengas und anderen Misshandlungen, bis hin zu der in einer Sendung des Politik-Magazins „Panorama“ beschriebenen Folter durch „Scheinhinrichtungen“ an abgelegenen Orten, mit denen Polizeibeamte gegenüber Kolleg*innen geprahlt haben sollten[7].
Wie und warum es zur Kriminalisierung Schwarzer Menschen als „Zielgruppe polizeilichen Handelns“ kam, erschloss sich aus den Akten der Innenbehörde, die dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung standen.
Der Hamburger Senat legte am 16. Januar 1990 ein „Konzept zur Drogenbekämpfung“ vor.
Drogenabhängigkeit sollte in erster Linie als gesundheitliches Problem mit Krankheitswert gesehen werden. Hier sollte hinsichtlich der Abhängigkeit der gesundheitliche und sozialpolitische Ansatz im Vordergrund stehen. Gleichzeitig beinhaltete das Konzept „Rigorose Strafverfolgung des Drogenhandels auf allen Ebenen, wobei die Strafverfolgungsbehörden von einer Verfolgung suchtbedingter Kleinkriminalität entlastet und die vorhandenen Kräfte gegen die Händler gebündelt werden sollten“[8].
Dieses Konzept betraf vor allem Hamburg-St. Georg, den Stadtteil östlich des Hamburger Hauptbahnhofs. 1991 wurde eine „Planungs- und Führungsgruppe“ bei der Polizeiwache 11 in der Kirchenalle in St. Georg eingerichtet, deren Aufgabe die „Beseitigung der Drogenszene“ durch „zielgruppen- und brennpunktorientierte sowie variantenreiche“ Maßnahmen sein sollte. Zur Unterstützung der Polizeibeamt*innen der Wache 11 bei dieser Aufgabe wurden Züge der Bereitschaftspolizei herangezogen, soweit sie nicht bei Fußballspielen oder Demonstrationen eingesetzt waren, sowie die Sondereinheiten der Einsatzzüge und teilweise auch Beamt*innen des Bundesgrenzschutzes[9], der für das Gelände des Hauptbahnhofes zuständig war. So gingen zeitweise 30 bis 40 Polizist*innen in St. Georg Streife. Zu den polizeilichen Maßnahmen, um die es hier ging, gehörten „offensive, überraschende Personenkontrollen“[10].
Diese Kontrollen ermöglichten, eine hohe Anzahl von Menschen durch sogenannte „Platzverweise“ zu zwingen, sich an bestimmten Orten nicht aufzuhalten oder sie mit der Begründung, dass sie gegen Platzverweise verstießen oder dass sie nach Einschätzung der Polizei im Begriff waren eine Straftat, zu begehen, z.B. mit Drogen zu handeln, in Gewahrsam zu nehmen, d.h. sie einzusperren, ohne dass sie wegen einer Straftat festgenommen waren.
Eine Auswertung der Polizei aus dem Zeitraum 9.9.1991 bis 31.12.1993 ergab, dass im Zeitraum 9.9. bis 31.12.91 10.138 , im Jahr 1992 39.729 und im Jahr 1993 74.976 Personenkontrollen durchgeführt wurden[11].
Wer davon hauptsächlich betroffen war wurde ebenfalls festgehalten.
„Laut Zeugenaussagen waren bei den Dealern in St. Georg zwei Gruppen auffällig. Zum einen habe es sich um Türken/Kurden gehandelt, die Heroin verkauft hätten, zum anderen um Schwarzafrikaner, die mit Kokain gedealt hätten[12].“
Bei den Personenkontrollen fielen den Beamt*innen viele Verstöße gegen die räumliche Beschränkung im Asylverfahren auf. Asylsuchende mussten, nachdem sie den Antrag gestellt haben, in einer ihnen zugewiesenen Unterkunft in einem bestimmten Kreis eines Bundeslandes bleiben, den sie nur mit Sondergenehmigung verlassen durften. Gleiches galt für Menschen, die eine Duldung hatten, weil sie z.B. aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden konnten. Wer gegen diese Auflage verstieß, beging eine Ordnungswidrigkeit, die bei Wiederholung auch als Straftat geahndet werden konnte. Diese Regelungen, die auch unter dem Namen „Residenzpflicht“ bekannt wurden, gelten grundsätzlich noch heute.
Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Drogenszene waren sie von Anfang an Bestandteil der Kriminalisierung Geflüchteter im Zusammenhang mit der „Bekämpfung der Drogenkriminalität“.
Im März 1991 schrieb ein Beamter der Wache 11 einen Vermerk über „Asylbeantragende Schwarzafrikaner als Dealer in in St. Georg“ an die Polizeidirektion Mitte, in dem er behauptete, seit 1990 seien neben Türken zunehmend Schwarzafrikaner als Dealer in St. Georg tätig und schrieb: „die überprüften Personen – ein Deal konnte nicht immer nachgewiesen werden – waren zu 96% Asylbewerber. Einige wohnen in Hamburg, ein Großteil kommt aus anderen Bundesländern nach Hamburg.“ Anschließend führte er aus, dass einige „Schwarzafrikaner“ aus anderen Bundesländern sich legal in Hamburg aufhielten, dass gegen „Schwarzafrikaner“, die dies nicht durften, Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz geschrieben wurden, und dass gegen eine Vielzahl der in Hamburg lebenden „Schwarzafrikaner“ Anzeigen wegen Verstoßes gegen das BtMG gefertigt wurden[13].
Im Oktober 1991 verfasste ein Polizeihauptkommissar einen Vermerk an die Polizeiführung, in dem er sorgfältig die Zahl der Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz auswertete. Es ging um die räumliche Beschränkung, die sogenannte „Residenzpflicht“ Asylsuchender und geduldeter Geflüchteter. In seinem Vermerk beklagte der Polizeihaupkommissar, dass „die Anfertigung von Anzeigen wegen dieses Delikts nicht viel Wirkung zeigte, und dass insbesondere afrikanische Staatsangehörige wegen mehrfacher Gebietsverstöße auffielen“[14].
Im Dezember 1991 vermerkte ein anderer Polizeihauptkommissar, dass er aufgrund eines konkreten Anlasses mit einem Sachgebietsleiter der Ausländerbehörde telefoniert habe. In dem Vermerk heißt es: „Herr B. Zeigte sich sehr interessiert und teilte mit, dass E 414/5 (eine Abteilung der Ausländerbehörde, Anm. d. Verf.) an Berichten interessiert sein wird, wenn Asylbewerber sich in eindeutiger Weise in der BtM-Szene aufhalten, ohne dass es bereits nachweisbar zu strafbaren Handlungen gekommen sein muss. Also auch bei der derzeitigen Arbeitsweise von KORA[15] im präventiven Bereich, können diesbezügliche Erkenntnisse für E 4 interessant sein. Diese polizeilich festgestellten Fakten werden dann Grundlage sein, beim Bundesamt eine schnellere Bearbeitung des Asylantrages mit dem Ziel der Abschiebung/Ablehnung zu erreichen“.[16]
In einem Vermerk der Innenbehörde aus Juni 1992 zum Thema „Durchsetzung räumlicher Beschränkung nach den ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Vorschriften durch die Polizei im Bereich St. Georg“ heißt es: „Von den im Stadtteil St. Georg gegen die Verfestigung der offenen Drogenszene eingesetzten Polizeibeamten werden zahlreiche Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz festgestellt. … Daneben liegen der Polizei Erkenntnisse vor, wonach Asylsuchende, vor allem aus dem Kreis sog. „Schwarzafrikaner“ in der offenen Drogenszene tätig sind“[17].
Die Polizei in St. Georg habe in der Zeit vom 1.4.1991 bis zum 31.3.1992 3.331 Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz angezeigt, wobei auf 34 Personen jeweils 10 und mehr Verstöße entfallen seien. Aus dieser Gruppe stünden 17 Personen nach polizeilichen Erkenntnissen in Verbindung mit der Drogenszene. Ebenso sei festgestellt worden, dass sich von jenen 34 Personen 22 regelmäßig an Brennpunkten der Drogenszene aufhielten. Bei den 22 habe es sich ausschließlich um Schwarzafrikaner gehandelt, wovon nach den Erkenntnissen 11 im Zusammenhang mit der Drogenszene ständen[18].
Das Ergebnis tausender Personenkontrollen war also, dass 11 Geflüchtete aus afrikanischen Ländern, die sich eigentlich nicht in Hamburg hätten aufhalten dürfen, nach Einschätzung der Polizei vermutlich dealten. Die „offensiven, überraschenden Personenkontrollen“, die ein Mittel zur
Beseitigung der Drogenszene sein sollten, dienten mindestens genauso dem „Aufspüren“ asyl- und ausländergesetzlicher Regelverstöße, wobei Polizei und Innenbehörde ihren Blick dabei vor allem auf Schwarze Menschen lenkten.
So kann racist profiling funktionieren. Hier haben nicht nur Polizeibeamt*innen aus mehr oder minder individueller rassistischer Motivation Schwarze verdächtigt. In einem Klima der politisch gewollten Verdrängung und Vertreibung Asylsuchender, wurden Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Äußeren als „Zielgruppe“ kriminalisierenden und stigmatisierenden Handelns identifiziert. Dabei reichte es, sich nicht auf Hamburger Boden aufhalten zu dürfen, mit Betäubungsmitteln zu handeln war nicht erforderlich. Hier griffen struktureller, in die Asylgesetze gegossener Rassismus, und institutioneller, im Zusammenwirken von Innenbehörde und Polizei entwickeltem und von Polizeibeamt*innen umgesetztem Rassismus ineinander.
Dass Menschen, die sich von Gesetzes wegen z.B. eigentlich in einem Lager in einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern aufhalten müssen, statt dessen Städte aufzusuchen, in denen sie z.B. Anschluss an eine Community aus Landsleuten finden können, hat nur einen geringen Nachrichtenwert. Dass „Schwarze dealten“ war demgegenüber die wirkungsvollere Rechtfertigung für die Jagd auf Geflüchtete und Migrant*innen in St. Georg, die auch einer der repressiven Innenpolitik Hamburgs gegenüber kritischen Öffentlichkeit entgegengehalten werden konnte.
Wie die Polizist*innen ihren Verdacht begründeten, dass jemand dealte, geht aus der Aussage eines Polizeihauptkommissars hervor, nach der der Umstand, dass sich Afrikaner in der Nähe des Hauptbahnhofs aufhielten, bestimmte Mützen und Turnschuhe trugen und ggf. noch eine Bierdose mit sich führten, genügte[19].
Ähnliche Stereotype fanden auch Eingang in dienstliche Unterlagen. In den Akten, die dem Untersuchungsausschuss „Hamburger Polizei“ vorlagen, trug ein Papier die Überschrift „Kleiner Einsatzhelfer bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität im Bereich St. Georg sowie Verstöße gegen das Ausländerrecht“.
„Der Text beschreibt, welche Formulare auszufüllen und welche Stellen zu informieren sind, wenn Personen gegen das Asylverfahrensgesetz oder das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Auf der ersten Seite unter dem Punkt „Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz“ steht die Teilüberschrift „Verfahrensweise bei Farbigen“. Weiter heißt es an dieser Stelle: „Sind Farbige ohne Ausweispapiere, dann AZR-Nachfrage...“ (AZR = Ausländerzentralregister Anm. d. Verf.). Auf der dritten Seite des Textes heißt es zum Verfahren bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz:
„- Bei Kontrolle von Farbigen und ausländischen Mitbürgern unbedingt auf Eigensicherung achten. Personen tragen häufig Messer o.ä. mit sich und scheuen deren Gebrauch nicht.
- Farbige „bunkern“ den Stoff teilweise im Mund und schlucken bei Pol.-Kontrolle den Stoff[20].“
An der Wache 11 wurden Strichlisten geführt, wer die meisten Leute kontrollierte bzw. in Gewahrsam nahm. Ein Polizeibeamter berichtete, er sei aufgefordert worden, 40 bis 60 Personenkontrollen an einem Tag vorzunehmen, ein anderer, er sei getadelt worden, weil er keine Leute mit zur Wache brachte, nachdem alle von ihm überprüften Personen gültige Papiere hatten vorweisen können[21].
Ein weiterer schilderte, wie besonders Beamt*innen der Bereitschaftspolizei, die die Wache 11 in St. Georg zeitweise unterstützten, Personen „erstmal mitgenommen“ hätten. Es habe schon ausgereicht, wenn jemand vor der Polizei weggelaufen sei. Man habe den Eindruck, es komme diesen Beamten auf die Stückzahlen an. Er habe gehört, dass Vorgesetzte so weit gegangen seien, demjenigen, der an einem Tag die meisten Strafanzeigen schreibe, eine Kiste Bier zu versprechen[22].
Die Menschen, die kontrolliert wurden, bekamen häufig sogenannte „Platzverweise“ oder wurden mit zur Wache genommen, durchsucht, wobei sie nach einigen Aussagen gezwungen wurden, sich vollständig zu entkleiden, und anschließend für 4 Stunden in Gewahrsam genommen, d.h. in den Zellen der Wache eingesperrt, ohne wegen einer Straftat festgenommen worden zu sein[23].
Zeugen berichteten, dass die Zellen der Wache 11 regelmäßig überbelegt waren. Die 12,74 qm große Sammelzelle soll zumindest vorübergehend mit bis zu 15, nach anderer Aussage mit bis zu 20 bis 30 Personen belegt gewesen sein[24].
Wohl aus Platzmangel auf der Wache gingen die Polizeibeamt*innen dazu über, Menschen in abgelegene Gegenden, z.B. in den Freihafen, zu fahren, und dort auszusetzen.
„Der Verbringungsort wird so gewählt, dass der Betroffene eine gewisse Zeit benötigt, um zum ersten Ort zurückzukehren. Ziel ist, ihn vom ersten Ort für eine gewisse Zeit fernzuhalten[25].“
Zeugen berichteten, sie seien dort dann auch misshandelt worden, z.B. mit Tränengas besprüht[26].
Im Rahmen dieser sogenannten „Verbringungen“ soll es auch zu den „Scheinhinrichtungen“ an Schwarzen gekommen sein, mit denen Polizisten gegenüber ihren Kolleg*innen geprahlt haben sollen. Dabei soll den betroffenen Menschen von einem Beamten eine entladene Waffe an den Kopf gehalten und abgedrückt worden sein.[27]
Wie sehr Misshandlungen, Demütigungen und Beleidigungen mit einem ausgeprägten Aufspielen als „Herrenmenschen“ seitens der Polizist*innen einhergingen, wird an der Befassung mit zahlreichen Vorwürfen deutlich, von denen hier nur drei Fälle exemplarisch wiedergegeben werden sollen:
So berichtet eine*r der wenigen Polizeibeamt*innen, die bereit waren, gegen ihre Kolleg*innen auszusagen, von einem Vorfall aus dem Jahr 1992:
Er habe aus dem Vorraum der Sammelzelle den Schrei „Look in my eyes“ und kurz darauf ein Klatschen gehört. „Ein Farbiger habe an der Wand gestanden. Vor dem Farbigen habe POM[28]
F. gestanden, und zwar so dicht vor dem Farbigen, dass sie sich an der Nasenspitze fast berührt hätten. Anwesend sei außerdem POM M. gewesen. POM F. habe den Farbigen …. angeschrien: „Look in my eyes!“ Als der Farbige etwas habe erwidern oder den Kopf habe zurückziehen wollen, habe POM F. geschrien: „Don't talk, look in my eyes!“ Während der Farbige sich nun auf die Augen des Beamten konzentriert habe, habe dieser einen schnellen Schlag mit der flachen Hand zum Kopf des Farbigen ausgeführt. Der Kopf des Farbigen sei zur anderen Seite geflogen. Von dort sei dann dann ein zweiter Schlag mit der anderen Hand des POM F. erfolgt[29].“
Aus den Aussagen verschiedener Zeug*innen ergab sich , dass eine Wachdienstgruppe der Wache 11 wiederholt frühmorgens „Razzien gegen Drogendaler“ am Hansaplatz durchgeführt hat. Derartige Einsätze sollen etwa zwei- bis viermal während einer Frühwoche der Wachdienstgruppe stattgefunden haben.
„Vor Beginn einer derartigen Aktion wurde durch Zivilkräfte erkundet, ob und wieviele schwarzafrikanische Dealer sich auf dem Hansaplatz aufhielten. … Aufgrund der festgestellten Lage entschloss sich PHK[30] St. „spontan“ polizeilich einzugreifen. … PHK St. soll die Aktionen nach Angaben mehrerer Zeugen mit den Worten „Aufschläge“. „Bimbos einsammeln“ und „Reste einsammeln“ bezeichnet haben. … In der Regel wurden 6 bis 8 Beamte mit 3 bis 5 Fahrzeugen eingesetzt. Die Einsätze selbst liefen...so ab, dass die Beamten mit den Fahrzeugen sternförmig möglichst von vier Seiten auf den Hansaplatz zu fuhren. … Kurz vor Erreichen des Hansaplatzes schalteten die Fahrzeuge das Blaulicht ein. Bei Erreichen des Hansaplatzes verließen die Besatzungen die Fahrzeuge und überprüften die auf dem Hansaplatz angetroffenen Personen bzw. nahmen diese in Gewahrsam. … die in Gewahrsam Genommenen wurden zum Teil mit den Fahrzeugen und zum Teil auch einzeln oder in Gruppen gefesselt zu Fuß zur PRW[31] 11 gebracht[32].“
Ein Zeuge beschreibt diese Aktionen so: Der Hansaplatz sei von Streifenwagen eingekreist worden, dann sei das Blaulicht eingesetzt worden und anschließend seien alle, die wegliefen zur Wache gebracht worden[33].
Ein nigerianischer Staatsangehöriger hat in einem Ermittlungsverfahren ausgesagt, er sei im Juni 1993 zusammen mit einem Bekannten im Bereich des Hauptbahnhofes kontrolliert worden. Er habe seinen Mund öffnen und seinen Pass vorzeigen müssen. Danach sei ihm gesagt worden, er sei festgenommen und er sei in Handschellen zur Wache 11 gebracht worden. Dort habe einer der Polizeibeamten seine Lederhandschuhe ausgezogen und ihn damit gegen den Kopf geschlagen, obwohl er dem Polizisten gesagt habe, dass er gerade operiert worden sei. Der Beamte habe ihn „Nigger“ genannt und zu ihm gesagt, dass er „Nigger“ hassen würde. Als der Beamte bei der Durchsuchung ein Kondom gefunden habe, habe dieser gefragt, ob es für eine deutsche Frau sei und habe weiter geschlagen. Der Betroffene berichtet auch davon, getreten worden zu sein, als er entkleidet war. Sein Bekannter war ebenfalls von den Beamten mit zur Wache genommen worden und wurde dort durchsucht[34].
Einer der Polizisten, die den Betroffenen zur Wache gebracht hatten, sagte aus: „Bereits bei der Überprüfung im Hauptbahnhof habe der eine Schwarzafrikaner ständig gegrinst. Dies habe er dahingehend interpretiert, dass er sie als Polizeibeamte nicht für voll genommen habe. Der zweite Beamte habe wörtlich geäußert: „Don't smile over policemen.“ Dieses Verhalten habe der Schwarzafrikaner auf dem Weg zur Wache und in der dortigen Sammelzelle fortgesetzt. … Es müsse wohl so gewesen sein, dass der … Schwarzafrikaner .. der Aufforderung, sich auszuziehen, nicht gleich nachgekommen sei. … Der Festgenommene habe gegrinst, was PM[35]M. Sch. wohl veranlasst habe, ihn zweimal ins Gesicht zu schlagen. … Nach den Durchsuchungen hätten er und PM M. Sch. beratschlagt, was mit den beiden Personen zu geschehen habe. Da nichts gegen sie vorgelegen habe, seien sie schließlich entlassen worden[36].“
Der 1.137 Seiten umfassende Bericht des Untersuchungsausschusses „Hamburger Polizei“ geht auf knapp 200 Seiten auf Berichte von Polizeibeamt*innen und Betroffenen ein, in denen von rassistischen Verhaltensweisen die Rede ist[37].
Der Leiter der Wachdienstgruppe, der die Menschenjagden am Hansaplatz veranlasst hatte, begann 1991, Leuten, die er verdächtigte, Drogenbehältnisse aus dem Mund heraus zu verkaufen bzw. verschluckt zu haben, auf der Wache Salzwasser zu verabreichen, um sie zum Erbrechen zu bringen[38]. Wie er die Leute dazu brachte, dass Salzwasser zu trinken, wollte keine*r der Zeug*innen aus den Reihen der Polizei gewusst haben bzw. erinnern. Einer äußerte, man habe versucht, „den Schwarzafrikaner zu überreden, die .. Kochsalzlösung zu trinken. Dabei könne es auch etwas lauter geworden sein“[39].
Im Juni 1991 fasste dieser Polizeioffizier einen „heftig schluckenden“ Mann „unvermittelt mit einer Hand an die Gurgel“, während er mit der anderen Hand seinen Kopf nach unten drückte. Nach dieser Prozedur und einer Röntgen-Untersuchung weigerte sich die diensthabende Ärztin des Vollzugskrankenhauses des Unterschuchungsgefängnisses, dem der Mann zugeführt werden sollte, ihn aufzunehmen, da sie eine Lebensgefahr nicht ausschloss. Der Polizeihauptkommissar beschwerte sich bei seinen Vorgesetzten und schrieb „Es erscheint opportun, künftig in gleichgelagerten Fällen zur Beweiserhebung … eine Magenspülung vorzunehmen.
Im August 1991 ließ er einen Afrikaner im Krankenhaus ein Brechmittel trinken. Der Versuch, dem an einen Toilettenstuhl gefesselten Mann zwangsweise noch ein Abführmittel einzuflößen, scheiterte an dessen Widerstand. Der Polizeihauptkommissar schrieb daraufhin an die Polizeidirektion: „problematisch ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Krankenhaus, wo möglicherweise andere Patienten in der Nähe sind und die Zwangsmaßnahmen fehldeuten könnten. … Ließen sich die Magenspülungen am PR[40]vornehmen,...wären die Weichen für eine extensive Anwendung der Methode (bei entsprechendem Verdachtsgrad) gestellt; die Signalwirkung auf die Dealerszene dürfte als Nebeneffekt nicht ausbleiben“[41].
Der Polizeiführung war dies also bekannt. Sie holte ein Rechtsgutachten der Staatsanwaltschaft und ein medizinisches Gutachten ein. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass Zwangsmaßnahmen wie Röntgen oder das Beibringen von Brechmitteln wegen der zu vermutenden geringen Mengen (Betäubungsmittel im Mageninhalt, Anm. d. Verf.) unverhältnismäßig seien.
Der Rechtsmediziner Prof. Dr. Püschel erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 27. August 1991, dass beim Erbrechen stets nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren bestünden, so dass das Erbrechen nur nach streng medizinischer Indikation herbeigeführt werden dürfe.
Dem Beamten wurde erklärt, dass laut medizinischem Gutachten beim Erbrechen Verletzungen der Speiseröhre nicht ausgeschlossen werden könnten und dass das Erbrochene eingeatmet werden könne. Danach sei kein Salzwasser mehr verabreicht worden.[42]
Wenn auch die Kriminalisierung Schwarzer Menschen in St. Georg als potentielle Drogenhändler ihren Anfang nahm, und nach den bekannt gewordenen Akteninhalten besonders ausgeprägt war, fand sie auch andernorts statt. Im Untersuchungsausschuss wurden dazu auch Polizeieinsätze im Schanzenpark thematisiert.
„Nach Einschätzung der Polizei war der Sternschanzenpark im Sommer 1994 ein Brennpunkt für „weiche Drogen“[43].
Auch hier gab es wieder Vermerke, die „Schwarzafrikaner“ in den Mittelpunkt polizeilicher Verfolgungsstrategien rückten:
„Seit mehreren Jahren wird im Sternschanzenpark in der wärmeren Jahreszeit mit BtM gedealt“, schrieb ein Polizeihauptkommissar der Wache 17 in der Sedanstraße in Eimsbüttel im August 1994. „Als Dealer traten überwiegend kurdische Jugendliche auf, die Heroin in kleinen Mengen an Drogensüchtige verkauften. Das beschränkte sich bisher auf Einzelvorgänge, die für Außenstehende in der Regel nicht auffällig waren. … Seit Mitte April 1994 hat diese Szenerie eine neue Qualität angenommen. Es hielten sich jetzt bis zum Einbruch der Dunkelheit häufig 100 oder mehr Personen im Sternschanzenpark auf, darunter mehrere Dutzend Schwarzafrikaner. Ein großer Teil dieser Personen konsumierte Haschisch oder Marihuana, darüber hinaus fand ein schwunghafter Handel mit diesen Drogen statt.[44]“
Hier ging nach Einschätzung die Polizei der Handel mit Haschisch und Marihuana „ausschließlich von Schwarzen“ aus[45].
Die Reaktion der Polizeiführung war auch hier ein Konzept, das neben den Beamt*innen der zuständigen Polizeiwache, Züge der Bereitschaftspolizei und den Einsatzzug Hamburg-Mitte auf „Dealerjagd“ schickte. Im Mai und Juni 1994 wurden verstärkt Personenkontrollen und acht Razzien durchgeführt.[46]
Eine dieser Razzien am 1. Juni 1994 machte Schlagzeilen. Von der Hamburger Morgenpost über die taz bis zum Hamburger Abendblatt wurde über Misshandlungen, grundloses Einsperren und ebensolche Platzverweise berichtet.[47]
Erkenntnisse über die Razzia am 1.6.94 zeigen auf, wie sehr die Gleichsetzung von „Schwarzafrikanern“ mit „Drogendealern“ in den Köpfen der Polizeibeamt*innen schon verfangen hatte. Zunächst sickerten Zivilfahnder in den Park ein und erstellten ein Lagebild. Aus dem Bericht eines Beamten geht hervor, dass sich dieses vor allem darauf bezog, wie viele Schwarze Menschen sich im Park aufhielten:
„Der Kollege Stä. und ich begaben uns auf eine am Wasserturm befindliche Bank. Von hier aus konnten wir die Wiese gut überblicken. Weiterhin beobachteten wir, dass sich in dem von uns überschaubaren Bereich ca. 50 bis 70 Schwarzafrikaner aufhielten. Diese Zahl veränderte sich unregelmäßig, da die Schwarzafrikaner teilweise abwanderten bzw. hinzukamen. Außerdem konnten wir in der Luft starken Haschischgeruch ausmachen, die Herkunft dessen aber nicht lokalisieren. … Wir erhielten nun den Auftrag, mit den anderen zivilen Kräften die Ausgänge des Parks zu besetzen, um ein Flüchten der Schwarzafrikaner zu verhindern“[48].
Ein weiterer Beamter berichtete:
„Ich befand mich in ziviler Kleidung im Park, als ich bei einer Personenüberprüfung im Bereich der zu überprüfenden Schwarzafrikaner eine Zigarettenschachtel fand“[49].
Nicht nur die Wortwahl der Beamten legt nahe, dass es hier nicht nur um die Kontrolle einer Kiffer-Szene ging, sondern dass gezielt gegen Schwarze vorgegangen werden sollte, die zuvor polizeiintern als Gruppe stigmatisiert worden waren.
Bei zwei derartigen Einsätzen, mittags und am späten Nachmittag des 1.6.1994, bei denen zunächst Zivilfahnder die oben beschriebene Lage sondierten, dann eine große Zahl Uniformierter den Parkbesucher*innen zu Leibe rückten, fanden die Beamt*innen eine Zigarettenschachtel mit sieben Streifen Haschisch, die sich niemandem zuordnen ließ, einen Plastikbeutel mit 3 Streifen Haschisch und 14 Päckchen Marihuana, der ebenfalls niemandem zuzuordnen war, sowie 3 Bröckchen Haschisch in der Hand einer Person[50].
Mittags erhielten 13 Afrikaner einen einen Platzverweis, 9 Afrikaner wurden in Gewahrsam genommen. Nachmittags erhielten 7 Afrikaner und ein Türke einen Platzverweis, 3 Afrikaner wurden in Gewahrsam genommen[51].
Als Gründe für die Gewahrsamnahmen wurde z.B. „Kontakt zur Drogenszene“ angegeben:
„… wurde von uns angetroffen, während er Kontakt zu Personen hatte, die dem äußeren Erscheinungsbild nach der Drogenszene zuzuordnen waren.“
„… hatte mehrmals Kontakt mit Drogenabhängigen. Offensichtlich handelte es sich um Verhandlungsgespräche.“
Einige Leute nahm die Polizei aber auch mit, weil sie sich gegen die Kontrollen und die Platzverweise wehrten[52].
Einer der Männer, die in Gewahrsam genommen wurden, erstattete Strafanzeige gegen den Einsatzleiter der Razzia. Er war geschäftlich in Hamburg gewesen und hatte im Schanzenpark Bekannte getroffen, sich auf eine Bank gesetzt und sich mit ihnen unterhalten. Er wurde mit der Begründung von der Polizei mitgenommen, er habe „ständig Kontakt mit Angehörigen der Drogenszene“ gehabt[53].
Die Konsequenzen, die die Mitglieder des Untersuchungsausschusses mehrheitlich aus den Erkenntnissen der zweijährigen Arbeit zogen, waren, für eine Verbesserung und Modernisierung der Führung und der Organisation der Polizei zu sorgen, mehr sozialwissenschaftliche Inhalte in die Polizeiausbildung zu integrieren und Ähnliches. Lediglich die GAL-Abgeordneten plädierten für eine grundsätzlich andere Politik, für Namensschilder an Polizeiuniformen und für einen Bürgerbeauftragten für Polizeiangelegenheiten[54].
Es ist müßig, zu sagen, dass nur wenige Polizeibeamt*innen wegen ihrer im Ausschuss behandelten Verfehlungen ihren Job verloren. In der Polizeiführung „rollten ein paar Köpfe“. 1998 wurde von der damaligen Rot-Grünen Regierung eine „Polizeikommission“ eingesetzt, die ehrenamtlich mit zwei Rechtsanwält*innen und einem Kriminologen besetzt und organisatorisch bei der Innenbehörde angesiedelt war, und an die sich sowohl Polizist*innen als auch Bürger*innen wenden konnten. Die Kommission wurde mit dem Regierungswechsel 2001 wieder abgeschafft[55].
„Bürger gegen Dealer“- Hysterie im Schanzenviertel
Der Untersuchungsausschuss „Hamburger Polizei“ tagte bis zum 9.11.1996. Anfang 1997 brach eine von den Medien befeuerte Art rassistischer Hysterie im Schanzenviertel aus, die sich gegen Schwarze Menschen richtete.
„Wo sollen unsere Kinder denn hin?“ betitelte die Hamburger Morgenpost am 21.4.1997 einen Artikel, in dem Anwohner*innen die „Zustände“ im Viertel und im Schanzenpark beklagten:
„Meine Frau geht abends nicht mehr alleine raus, unsere zwei Kinder lassen wir nicht mehr in den Schanzenpark.“ Leser*innenbriefe in der Ausgabe der Mopo vom 29.7.1997 geben die Stimmung wieder, die im Viertel herrschte:
„Rührend und typisch deutsch der Gedanke, die hier geduldeten afrikanischen Dealer in einem „Kulturzentrum für Schwarze“ auf den rechten Weg lenken zu wollen. Da unsere Sozialhilfe für deren aufwendigen Lebensstil nicht ausreicht, finanzieren sie ihre teuren Mountain Bikes, Nike-Schuhe und Diesel-Jacken durch dealen. Wäre Drogenhandel für die Hamburger Justiz kein Kavaliersdelikt, würden diese Leute, wie in deren Herkunftsländern üblich, schon längst im Gefängnis ihre Tage fristen, anstatt hier labile Jugendliche mit schlechten Drogen zugrunde zu richten“, schrieb ein Leser und plädierte dafür, „diese kriminellen Elemente, die hier Narrenfreiheit genießen, in ihre Ursprungsländer zurückzuschicken“.
Ein anderer glaubte, „… dass der deutsche Knast und das übliche Strafmaß keine abschreckende Wirkung auf Menschen aus Afrika, Osteuropa und anderswo haben, da sie in ihrer Heimat eine ganz andere Gangart“ gewohnt seien.
Welche Auswüchse rassistischer Verirrungen in den Reden von Anwohner*innen und Gewerbetreibenden diese Hetze annahm, beschreiben und analysieren Thomas Ebermann und Rainer Trampert in ihrem Text „Voodo im Schanzenpark“[56].
Im gleichen Jahr gelang es Aktivist*innen aus dem antirassistischen Spektrum, mit Hilfe eines ghanaischen Sozialarbeiters Kontakt zu den jungen Leuten aufzunehmen, die sich im Schanzenpark trafen. Viele von ihnen waren auf der Flucht vor dem grausamen Bürgerkrieg in Sierra Leone nach Hamburg gekommen. Am 8.11.1997 fand im Schanzenviertel eine Demonstration mit ca. 350 überwiegend Schwarzen Teilnehmer*innen aus afrikanischen Ländern statt[57].
Die anschließende Zusammenarbeit mit den Geflüchteten scheiterte u.a. daran, dass ihr Hauptinteresse darin bestand, an irgendwelche Jobs zu kommen, egal welche, während die deutschen Aktivist*innen zum einen nicht die Möglichkeit hatten, ihnen Jobs zu vermitteln, zum anderen in Vorstellungen verhaftet waren, nach denen Geflüchtete nicht unterbezahlt ausgebeutet werden durften, sondern die Möglichkeit bekommen sollten, Ausbildungen zu machen und Berufe mit angemessener Bezahlung ausüben zu können.
Aktivist*innen der Roten Flora kämpften ebenfalls auf politischer Ebene gegen den Rassismus im Viertel und die Kriminalisierung des Straßenhandels mit Drogen, und veranstalteten u.a. die Aktion „Mach meinen Dealer nicht an“[58].
Eine weitere Aktion von Antirassist*innen hieß „Kontrollen stören“. Sie hatte das Ziel sich bei rassistischen Kontrollen der Polizei aber auch der Kontrolleure im öffentlichen Nahverkehr einzumischen[59].
Die Einführung der „Brechmitteleinsätze“ in Hamburg
„Brechmitteleinsätze“, bei denen Betroffenen von Ärzt*innen ein Emetikum verabreicht wurde, damit sie Drogenbehältnisse von sich geben sollten, wurden bereits 1992 in Bremen eingeführt, später auch in anderen Städten, wie Frankfurt und Berlin und in Nordrhein-Westfalen.
In Hamburg beantragte die CDU-Fraktion am 1.9.1998 die Einrichtung eines ärztlichen Beweissicherungsdienstes der „bei Vorliegen von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Verdacht einer Straftat .. aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität begründen, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Beschuldigte Betäubungsmittel heruntergeschluckt hat“ dem Beschuldigten ein Mittel verabreichen sollte, das zum Erbrechen führt[60]und verwies auf „Erfolge“ in Bremen.
Die Diskussionen, wie „Drogendealer“ zu verfolgen seien, rissen nicht ab.
Im Wahlkampfjahr 2001 zeigt eine Debatte in der Bürgerschaft am 4.2.2001 die Einstellung der Abgeordneten[61].
Von CDU-Abgeordneten wurde beklagt, jeder in der Stadt könne goldkettchenbehängte Jugendliche in Markenklamotten beobachten, die hier – oft als minderjährige unbegleitete
Flüchtlinge „getarnt“ – lebten, „ohne jede Spur von Elend und Vertreibung, die den verwahrlosten Süchtigen mit ausgemergelten Gesichtern und zittrigen Händen“ Stoff verkauften.
Hunderttausende von Platzverweisen und Tausende von Ingewahrsamnahmen in den letzten Jahren hätten überhaupt nichts bewirkt und keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt. Die Polizei werde von den Dealern veralbert und verlacht. Der Kokainhandel aus dem Mund sei das beste Beispiel dafür, wenn Dealer beim Erscheinen der Polizei –meistens seien es „farbige Dealer“ – die Kugeln verschlucken.
Der CDU-Abgeordnete Vahldieck forderte die Einführung von „Brechmitteleinsätzen“ zur Abschreckung:
„Ferner hätte das den Nebeneffekt, daß der nächste Dealer mit Sicherheit darauf verzichtet, den Stoff zu verschlucken, denn es würde sich in der Szene herumsprechen. Wenn die Dealer erst einmal wissen, daß eine andere härtere Gangart angelegt wird, dann werden sie darauf verzichten, in dieser Art und Weise mit der Polizei umzuspringen. Das müssen wir erreichen. Schon die Drohung mit der Verabreichung von Brechmitteln würde sich positiv auswirken. Das wäre die richtige Botschaft an die Dealer. Deshalb fordern wir die Verabreichung von Brechmitteln
gegen Kokaindealer. Das halten wir für ein sinnvolles Mittel“[62].
Die zu diesem Zeitpunkt regierende Rot-Grüne Koalition hielt noch dagegen, wobei aber nicht die von der CDU propagierte Abschreckung durch Misshandlung im Mittelpunkt stand, sondern Zweifel an der Effektivität dieser Methode zur Beweismittelsicherung. Der damalige Innensenator bezeichnete die Methode als überflüssig[63].
Allerdings machte auch die SPD Schwarze Menschen als „Hauptproblem“ im Zusammenhang mit der Drogenszene aus:
„Das Problem in der Drogenhandelsszene besteht in Hamburg zur Zeit maßgeblich darin, daß der Straßenhandel mit Drogen überwiegend durch schwarzafrikanische Jugendliche oder schwarz-afrikanische junge Männer, die sich als Jugendliche ausgeben, durchgeführt wird“, so der SPD-Abgeordnete Schäfer[64].
Die Abgeordneten der mitregierenden Grün-Alternativen Liste sprachen sich für mehr Hilfen für Süchtige statt noch mehr Repression gegen Drogenhändler aus, wiesen darauf hin, dass zwischen Süchtigen einerseits und Händlern andererseits bei der Drogenproblematik nicht so einfach unterschieden werden könne, und merkten an, es gebe „medizinische Bedenken, die der
Rechtsmediziner Püschel schon vor zehn Jahren zu Protokoll gegeben“ habe.[65]
Mitte 2001 beschloss der Rot-Grüne Senat mit Innensenator Olaf Scholz dann doch die Einführung der „Brechmitteleinsätze“, die im Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchgeführt wurden.
Wie auch in anderen Städten wurden fast ausschließlich Schwarze Menschen, bei denen Polizeibeamt*innen Kontakte zu Drogenkäufer*innen gesehen und Schluckbewegungen beobachtet haben wollten, von der Polizei einem „Brechmitteleinsatz“ unterzogen.
Am 23. September 2001 wurde Rot-Grün abgewählt. Die neue Regierung übernahm eine Koalition aus CDU, Partei rechtsstaatliche Offensive und FDP. Innensenator wurde der zuvor als „Richter Gnadenlos“ bekannt gewordene Ronald Schill, Justizsenator Roger Kusch, Bürgermeister Ole von Beust. Natürlich gingen die „Brechmitteleinsätze“ weiter.
Am 12.12.2001 starb Achidi John infolge einer gewaltsamen Brechmittelgabe am 9.12.2001. Noch während er im Koma lag, verkündete der damalige Wissenschaftssenator Dräger dem Wissenschaftsausschuss, dass Prof. Jüde, der kommissarische Ärztliche Direktor des UKE und Prof. Püschel, der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin, ihm versichert hätten, dass die Brechmitteleinsätze weitergehen könnten[66].
Achidi John
Wir wissen nur wenig über Achidi John. Nach seinem Tod recherchierten Künstler*innen um den Verein Brothers Keepers über sein Leben und fanden Kontakt zu seiner Familie in Nigeria. Sie erfuhren, dass er Michael Uzodinma Nwabuisi hieß[67].
In seinen Papieren hieß er Michael Paul Nwabuisi. Den deutschen Behörden gegenüber nannte er sich Achidi John, und unter diesem Namen ist er wegen der furchtbaren Umstände seines Todes bekannt geworden. Deshalb verwenden wir diesen Namen auch weiterhin, soweit es um die Ereignisse in Hamburg geht.
Zwei Journalisten des „Stern“ besuchten seine Familie und berichteten darüber und über die Umstände seines Todes[68]. Achidi John kam aus einem Dorf, das am Rande der Stadt Umuahia im Abia State im Südosten Nigerias liegt.
Die Region ist als „Biafra“ bekannt geworden, wegen des Bürgerkrieges in den Jahren 1967 bis 1970 und wegen Fotos abgemagerter Kinder mit einem vom Hungerödem aufgetriebenen Bauch, die als „Biafra-Kinder“ viele Menschen in der westlichen Hemisphäre rührten und zum Spenden für Hilfsaktionen gegen die Hungerkatastrophe veranlassten[69].
Umuahia liegt knapp 200 km von der Stadt Yenagora im Herzen des Nigerdeltas entfernt. Der Bundesstaat Abia grenzt an die Region, in der im Nigerdelta Ölförderung betrieben wird, was zur Verseuchung von Böden und Gewässern geführt hat. Hauptnutznießer war der Konzern „Shell“, von dem u.a. amnesty international seit Jahren fordert, für die Beseitigung der weitreichenden Umweltschäden aufzukommen und sich für seine Mittäterschaft bei Morden und Menschenrechtsverletzungen zu verantworten[70].
Michael war der viertälteste Sohn seiner Eltern, die etwas Landwirtschaft betrieben. Das Einkommen der Familie reichte nicht aus, um das Schulgeld für alle Kinder aufzubringen. Für Michael reichte es, bis er 15 Jahre alt war. Er arbeitete danach zunächst in Nigeria, dann in Gabun. Schließlich reiste er nach Deutschland[71].
Er beantragte Asyl, nannte sich Achidi John. Sein Aufenthalt wurde räumlich beschränkt auf den Landkreis Nordhausen. Sein Antrag wurde abgelehnt, er bekam eine Duldung. Es war ihm verboten, in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im September 2001 telefonierte er mit seinem Vater, sagte ihm, dass er Heimweh habe und traurig sei. Der Vater antwortete ihm, er solle viel beten und in die Kirche gehen.
Am Sonntag, dem 9. Dezember 2001 um 8.20 Uhr wurde er am Hansaplatz in Hamburg-St. Georg festgenommen. Der diensthabende Staatsanwalt genehmigte um 8.32 Uhr den „Brechmitteleinsatz“ gegen Achidi John, während sie ihn mit Blaulicht zum UKE fuhren.
Achidi John schlug um sich. Die Polizisten legten ihm Handschellen an. Er brüllte: „You want to kill me!“. Auf dem Gang im Institut für Rechtsmedizin torkelte er und brach zusammen. Eine 28jährige Medizinstudentin, die an der Empfangsloge stand, sah das und fühlte seinen Puls, den sie mit 120 pro Minute maß. Achidi John wurde in den Raum getragen, in dem der „Brechmitteleinsatz“ stattfand.
Er machte sich steif, ließ sich nicht auf einen Untersuchungsstuhl setzen, deshalb ließen sie ihn auf dem Boden liegen. Um 8.52 Uhr entschied die diensthabende Ärztin, ihm das Brechmittel gegen seinen Willen zu verabreichen. Zunächst versuchten drei Polizeibeamte, ihn auf dem Boden festzuhalten. Es gelang ihnen nicht,weil Achidi John sich weiterhin wehrte, so gut er konnte. Er brüllte „I will die!“. Die Polizeibeamten riefen Verstärkung.
Schließlich gelang es fünf Beamten, ihn für die gewaltsame Brechmittelgabe zu fixieren, indem sich einer auf sein Becken setzte, zwei seine Beine zu Boden drückten, der Vierte seine Fußfesseln festhielt und der fünfte ein Knie auf seine Schulter presste, und mit der Hand seinen Kopf gegen das andere Knie. Die Ärztin begann, die Magensonde, einen 120 cm langen Schlauch, durch die Nase einzuführen. Der Schlauch blieb auf der Höhe des Kehlkopfes stecken. Sie versuchte es mit dem anderen Nasenloch. Wieder blieb der Schlauch stecken. Erst als ein Polizist Achidi Johns Kopf nach vorn drückte, bis das Kinn die Brust berührte, schaffte sie es, die Sonde etwa 50 cm tief einzuführen. Sie pumpte 30 ml des Brechmittels Ipecacuanha und einen knappen Liter Wasser durch den Schlauch. Dann zog sie ihn wieder heraus. Die Polizisten bemerkten, dass Achidi John eingenässt hatte. Er blieb reglos liegen. Die Ärztin deutete das als „Simulation“ und kümmerte sich zunächst nicht um ihn. Nach drei Minuten fühlte die Medizinstudentin ihm den Puls. Sie fühlte keinen. Die Ärztin bemühte sich um seine Reanimation und rief das Notfallteam des Krankenhauses. Es dauerte zwölf Minuten, bis es eintraf. Um 9.48 Uhr schlug sein Herz wieder, doch er blieb im Koma, bis am 12. Dezember 2001 die intensivmedizinische Behandlung abgebrochen und er für tot erklärt wurde. Die Todesursache lautete „hypoxischer Hirntod“, d.h. Achidi Johns Gehirn war zu lange einem schweren Sauerstoffmangel ausgesetzt gewesen[72].
Aktivist*innen von Brothers Keepers organisierten die Überführung seines Leichnams zu seinen Eltern.
Achidi Johns Tod löste eine Reihe von Protesten aus:
Eine spontane Kundgebung mit 500 Leuten aus der linken Szene benannte, was im IfR geschah:
„Brechmittel sind staatliche Folter!“[73]
Die Zeitung freitag titelte am 21.12.2001: „Todesstrafe durch die Hintertür“
"Auch wir sind betroffen, aber das hält sich in Grenzen", bemühte sich der Bürgerschaftsabgeordnete der Schill-Partei, Frank-Michael Bauer, nicht einmal Anteilnahme zu heucheln. Unbeirrt kündigte die Hamburger Landesregierung unmittelbar nach dem tödlichen "Zwischenfall" an, die Brechmitteleinsätze konsequent fortzusetzen. Alles andere "wäre ein Signal, dass die Strafverfolgung in Hamburg nicht mit der gebotenen Härte durchgeführt wird", so Innensenator Ronald Schill. Inzwischen hat eine Gruppe von 39 Juristen, Wissenschaftlern und Medizinern Strafanzeige gestellt. Sie werfen den direkt am Einsatz beteiligten Ärzten und Polizisten, aber auch den politisch Verantwortlichen in der Innenbehörde "vorsätzliche schwere Körperverletzung" mit "Todesfolge" vor. Schroffe Kritik an der Brechmittel-Praxis kommt vor allem aus der Hamburger Ärzteschaft. Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, rät allen Ärzten "dringend davon ab", sich an solchen Zwangsmaßnahmen zu beteiligen. Mit deutlichen Worten fordert der Kammerchef ein sofortiges Ende der Brechmittel-Einsätze: "Der Senat muss aufhören, Menschen mit Gewalt umzubringen"[74].
Die Ärztekammer hatte schon vor dem Tod Achidi Johns das Vorgehen am Institut für Rechtsmedizin als mit der ärztlichen Berufsordnung unvereinbar erklärt. Die gesundheitlichen Gefahren bei einer gewaltsamen Verabreichung von Brechmitteln über eine Nasensonde seien zu groß. „Kein Arzt und keine Ärztin darf von welcher Seite auch immer zu einer Beteiligung an solchen polizeilichen Maßnahmen gezwungen werden“, betonte Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery.[75]
Die Hamburger Ärzteopposition verlangte von der Kammer, sie solle wegen Verstoßes gegen die Berufsordnung gegen alle Ärztinnen ermitteln, die sich daran beteiligten.
57 Anästhesist*innen des UKE erklärten ihre Weigerung, an gewaltsamen Brechmitteleinsätzen mitzuwirken. Der damalige Ärztliche Direktor des UKE, Prof. Jüde, hatte nach dem Tod Achidi Johns eine Dienstanweisung erlassen, nach der Notfallmediziner*innen „zur Vermeidung weiterer Todesfälle“ bei den Einsätzen mitmachen sollten. Auch ein großer Teil der am UKE beschäftigten Krankenpfleger*innen protestierte in einem gesonderten Schreiben gegen die medizinische Mitwirkung an den Zwangsmaßnahmen und forderte die Aufhebung der Dienstanweisung[76].
Am 22. April 2002 fasste der Vorstand der Ärztekammer Hamburg noch einmal einen Beschluss gegen „Brechmitteleinsatz unter Gewalt“. Dieser sei aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten. Außerdem dürfe es keinesfalls zu einer erzwungenen Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an solchen Maßnahmen zur Beweissicherung kommen, da diese so in eine ethische und
arbeitsrechtliche Konfliktsituation gerieten.[77]
Dem schloss sich die Betriebsgruppe ver.di am UKE an.
Im Mai 2002 beschloss der 105. Deutsche Ärztetag:
„Die Vergabe von Brechmitteln an verdächtigte Drogendealer zum Zwecke der Beweismittelsicherung ist ohne Zustimmung des Betroffenen ärztlich nicht zu vertreten“, und wies auf die mit dem Einsatz von Brechmitteln verbundenen gesundheitlichen Risiken hin. Er zitierte die UN-Resolution vom 18.12.1982 mit den Worten:
"Es verstößt gegen die ärztliche Ethik, wenn medizinisches Personal, insbesondere Ärzte, sich mit Gefangenen oder Häftlingen in einer Weise beruflich befassen, die nicht einzig und allein den Zweck hat, ihre körperliche und geistige Gesundheit zu beurteilen, zu schützen oder zu verbessern"[78].
Der Deutsche Gewerkschaftsbund lud Mitte Januar 2002 zur Diskussionsveranstaltung im DGB-Haus am Besenbinderhof ein. Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose lehnte dort Brechmittel als unverhältnismäßig rundheraus ab. Zur Beweissicherung seien sie nicht erforderlich, „und wenn sie zur Strafe und Abschreckung dienen, verstößt das gegen rechtsstaatliche Prinzipen, denn das ist nicht Aufgabe der Exekutive, sondern der Justiz“.
Auf dem Podium saß auch Ex-Innensenator Olaf Scholz, der die „Brechmitteleinsätze“ im Sommer 2001 eingeführt hatte. Er verteidigte seine Entscheidung als „alternativlos“.[79]
Im Januar 2002 bat der damalige Leiter des Hamburger Landeskriminalamtes, Gerhard Müller, ihn von seinem Amt zu entheben: Es sei ihm unerträglich, dass der Eindruck habe entstehen können, beim Einsatz von Brechmitteln handele es sich um eine alltäglich anzuwendende, abschreckende Strafe.[80]
Er sei entsetzt, dass die Polizei nach dem Zwischenfall mit aller Konsequenz an den Einsätzen festhalten wolle.[81]
Aktivist*innen benannten den Platz vor der Roten Flora am Schulterblatt „Achidi-John-Platz“.
Aktivist*innen betrieben die Kampagne gegen Brechmitteleinsätze, veranstalteten regelmäßig Kundgebungen am UKE, forderten die Beendigung der „Brechmitteleinsätze“ und wandten sich an den Ausschuss gegen Folter der Vereinten Nationen. Nach dem Urteil des EGMR m Juli 2006 forderten sie den Ärztlichen Direktor des UKE- ergebnislos - auf, die Mitwirkung von Ärzt*innen des UKE an den Brechmitteleinsätzen aufzuarbeiten und dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Außerdem erstatteten sie – ebenfalls ergebnislos - bei der Generalbundesanwältin Strafanzeige gegen alle Verantwortlichen aus Politik, Justiz, Polizei und der Ärzteschaft. [82]
Im Oktober 2002 veranstalteten Aktivist*innen der Kampagne gegen Brechmitteleinsätze eine Benefizkonzert mit den Künstler*innen von Rantanplan, Microphone Mafia, Fink und mit Bernadette La Hengst, um Prozesskosten für Bemühungen, die Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines regulären Ermittlungsverfahrens der Beteiligten an dem tödlichen „Brechmitteleinsatz“ zu zwingen, zu sammeln.[83]
Alle Proteste blieben erfolglos, bis ein Rechtsanwalt aus Ratingen den Fall eines Mandanten, der einen Brechmitteleinsatz erlitten hatte, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte brachte, und das genannte Urteil erwirkte. Der Gerichtshof verurteilte die BRD zu einem Schmerzensgeld von 10.000 Euro für seinen Mandanten.[84]
Brechmitteleinsätze von August 2001 bis September 2005
530 Menschen wurden in der Zeit vom 12. August 2001 bis zum 14.Juli 2006 von der Polizei zum Institut für Rechtsmedizin gebracht, um ihnen dort das Brechmittel Ipecacuanha zu verabreichen.[85]
Abgeordnete der GAL-Fraktion fragten bis September 2005 regelmäßig ab, wieviele „Brechmitteleinsätze“ unter welchen Bedingungen stattgefunden hatten.
In den jeweiligen Antworten des Senats auf diese parlamentarischen Anfragen sind unter anderem Datum, Anzahl der gefundenen „BtM-Behältnisse“ im Erbrochenen und die Staatsangehörigkeit der Betroffenen angegeben, ob unmittelbarer Zwang, d.h. körperliche Gewalt seitens der Polizei, gegen sie eingesetzt wurde, und ob die Brechmittelvergabe mittels Nasen-Magensonde erfolgte.[86]
Die Auflistung der Staatsangehörigkeiten der Betroffenen liest sich wie eine Landkarte von (West-)Afrika: Sudan, Burkina Faso, Sierra Leone, Guinea, Ghana, Kamerun, Mauritanien, Togo, Nigeria, Burundi, Elfenbeinküste, Guinea Bissau, Angola, Äthiopien, Gambia, Liberia, Benin, Uganda, Niger, Mali, Simbabwe.
56 mal ist keine Staatsanghörigkeit angegeben oder eine außerhalb des afrikanischen Kontinentns:
17 mal wird die Staatsangehörigkeit als „unbekannt“ bzw. „ungeklärt“ aufgeführt, 12 mal als „Deutschland“, 8 mal „Türkei“, 5 mal Iran, 5 mal Portugal, und jeweils 1 mal Irak, Italien, Albanien, Afghanistan, Jugoslawien, Rümänien, Großbritannien, Libanon und Polen.
Das heißt, dass in mindestens 474 von 530 Fällen mit Sicherheit Schwarze Menschen betroffen waren, vermutlich überwiegend Geflüchtete aus den Krisenregionen Afrikas. Über die Hautfarbe der deutschen und der portugiesischen Staatsangehörigen ist nichts bekannt. Da aber die Polizei das Verkaufen von Drogen „aus dem Mund heraus“ Menschen mit afrikanischer Herkunft zuschrieb, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich hierbei ebenfalls um Schwarze Menschen handelte. Das gleiche gilt für die Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit.
Menschenrechte stehen allen, gerade auch solchen Menschen zu, denen vorgeworfen wird, herrschende Gesetze gebrochen zu haben. Für uns ist die Frage, ob die Opfer der Brechmitteleinsätze tatsächlich Betäubungsmittel heruntergeschluckt hatten und ihnen deshalb eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz ggf. nachgewiesen werden konnte, irrelevant.
Aber natürlich erbrachte das erzwungene Erbrechen nicht immer das von der Polizei erwünschte Ergebnis.
Gleich der erste Hamburger „Brechmitteleinsatz“ am 12.8.2001, erzwungen mittels Sonde an einem sudanesischen Staatsangehörigen, erbrachte kein Ergebnis. Auch der zweite, ohne Sonde, an jemandem aus Burkina Faso brachte keine Drogen hervor.[87]
130 mal ist in den Tabellen der Antworten des Senats unter „Anzahl BtM-Behältnisse“ eine 0 eingetragen.[88]
Ab 2003 wurden einige von ihnen anschließend noch im Untersuchungsgefängnis in einen Raum mit „Drogentoilette“ gesperrt, bis sich aus ihren Ausscheidungen ergab, ob nicht doch Drogen zum Vorschein kamen. 2003 waren es 21 Menschen. Bei 19 von ihnen wurde nichts gefunden. 2004 war der Einsatz der „Drogentoilette“ in 9 von 13 Fällen ergebnislos, 2005 in 7 von 9 Fällen, 2006 in 3 von 4 Fällen.[89]
Wir müssen also davon ausgehen, dass etwa 130, der 530 von der Polizei zum Zweck der Durchführung eines „Brechmitteleinsatzes“ dem IfR zugeführten Menschen, keinen ernsthaften Anlass dazu gegeben haben, sie des Drogenhandels zu verdächtigen.
20 mal kam zwischen August 2001 und September 2005 die Magensonde zum Einsatz.
Bevor Achidi John am 9.12.2001 kollabierte wurden binnen vier Monaten fünf weitere Menschen der Tortur unterzogen. Danach, bis Ende 2005 noch 14 weitere Menschen.[90] Dass die zwangsweise Einflößung nach dem Todesfall seltener angewendet wurde, mag auch daran gelegen haben, dass die Ärzt*innen des IfR vorsichtiger geworden worden waren. Vor allem aber müssen wir davon ausgehen, dass viele Betroffene auf Gegenwehr verzichteten und aus Angst, das gleiche Schicksal wie Achidi John zu erleiden, das Brechmittel „freiwillig“ tranken.
Eine weitere Spalte in den Tabellen ist mit „angegebenes Alter“ überschrieben. Hier überwiegen Altersangaben von 16 Jahren bis Mitte zwanzig.[91]
Bereits am Abend des 9. Dezember 2001, dem Tag, an dem Achidi John ins Koma fiel, wurde dem nächsten Menschen das Brechmittel im IfR verabreicht.[92]
Im Juni 2002 beschloss der Senat, für € 50.000 die „Errichtung einer vom Institut für Rechtsmedizin abgesetzten Räumlichkeit“, „da in den jetzigen Räumen ständig Publikumsverkehr herrscht und somit eine korrekte Durchführung der polizeilichen Maßnahme nicht immer gewährleistet werden kann“.[93]
Wer die Macht hat, hat das Recht ...
Seit Beginn der vermeintlich gegen den Straßenhandel mit Drogen gerichteten Massenkontrollen, Platzverweise und Gewahrsamnahmen zu Beginn der 1990er Jahre haben die Behörden immer wieder geltendes Recht an ihre Konzepte „angepasst“.
So z.B. den 4-Stunden-Gewahrsam, dem angeblich „der Drogenszene zuzurechnende“ Menschen ausgesetzt waren.
Die Freiheitsrechte gehören zu den höchsten Gütern der deutschen Verfassung. Nicht umsonst heißt es in Artikel 104 Grundgesetz, dass über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur Gerichte entscheiden dürfen.
Im Januar 1992 erteilte die Landespolizeidirektion einen Auftragsbefehl bezüglich der offenen Drogenszene in St. Georg, in dem es u.a hieß, „dass die Gewahrsamnahme regelmäßig 4 Stunden dauere“[94].
Nach dem Hamburger Polizeirecht war die Gewahrsamnahme zulässig, um z.B. eine unmittelbar bevorstehende Straftat zu verhindern, oder einen Platzverweis durchzusetzen. Allerdings muss von Gesetzes wegen bei jeder Freiheitsentziehung unverzüglich das Amtsgericht eingeschaltet werden, das über Grund und Dauer des Freiheitsentzugs entscheidet. Dies unterblieb – soweit öffentlich bekannt geworden – in allen Fällen, in denen die massenhaften Gewahrsamnahmen als „Maßnahme gegen den Drogenhandel“ statt fanden. Die gerichtliche Entscheidung kann zwar in Einzelfällen unterbleiben, wenn z.B. zu erwarten ist, dass die Einschaltung des Gerichts länger dauert, als der Aufenthalt im Gewahrsam. Von Rechts wegen hätte aber in jedem Fall geprüft werden müssen, wie lange der Grund für die Freiheitsentziehung überhaupt bestand. Dass die Polizei entscheidet, Menschen regelmäßig für einen bestimmten Zeitraum festzusetzen, widerspricht grundlegenden Prinzipien der Verfassung und der Gewaltenteilung in einer Demokratie. Im Fall der Massengewahrsamnahmen zur vermeintlichen Bekämpfung des Drogenhandels hatten sich Vertreter des Amtgerichts und der Polizei am 12. November 1991 dahingehend abgesprochen, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht vor Ablauf von 4 Stunden ergehen könne.[95]
Indem die Polizeiführung anordnete, dass die Gewahrsamnahmen regelmäßig 4 Stunden dauern sollten, verhinderte sie also in allen diesen Fällen, dass das Amtsgericht deren Rechtmäßigkeit und der ihrer Dauer überprüfte. Den Betroffenen blieb zwar noch die Möglichkeit, im Nachhinein beim Verwaltungsgericht gegen die Gewahrsamnahme zu klagen. Dies ist aber mit vielerlei rechtlichen Hürden verbunden und kostet Geld, so dass sich selbst Menschen, die über die entsprechenden Informationen und Mittel verfügen, gut überlegen müssen, ob ein langwieriges teures Gerichtsverfahren angesichts eines Eingesperrtseins von 4 Stunden lohnt.
Auch der sogenannte „Verbringungsgewahrsam“ fand in einer sehr grauen Zone geltenden Rechts statt. Sperre ich einen Menschen in ein Auto und fahre ihn gegen seinen Willen an einen abgelegenen Ort, muss ich zumindest damit rechnen wegen Freiheitsberaubung und Nötigung angeklagt zu werden. Um den „Verbringungsgewahrsam“ rechtlich zu begründen, berief sich die Hamburger Polizei auf die polizeiliche Generalklausel, die besagt, dass die Verwaltungsbehörden, insbesondere die Polizei, zur Gefahrenabwehr tätig werden dürfen. Dies ist aber kein Freibrief für die Polizei, alles zu tun, was ihr passt. Inwieweit die Freiheit von Personen eingeschränkt werden darf regeln spezielle Paragrafen des Polizeirechts über die Gewahrsamnahme, bei der, wie oben gesagt, grundsätzlich das Amtsgericht eingeschaltet werden muss. Natürlich ist Letzteres nicht möglich, wenn die Polizeibeamt*innen mit jemandem irgendwo in Hamburg herumfahren. Auch hier hat die Hamburger Polizei massenhaft den Richter*innenvorbehalt umgangen. Allerdings hatten einige wenige Gerichte anderer Bundesländer den „Verbringungsgewahrsam“ in Einzelfällen für rechtens erklärt, was der Mehrheit der im Untersuchungsausschuss „Hamburger Polizei“ ausreichte, darin keinen Rechtsbruch zu sehen.[96]
Die „Brechmitteleinsätze“ wurden damit gerechtfertigt, dass nach § 81 a der Strafprozessordnung körperliche Untersuchungen zu Beweiserhebungszwecken auch ohne Einwilligung zulässig sind. Dies aber nur dann, „wenn kein Nachteil für die Gesundheit zu befürchten ist“.
Dass beim Erbrechen stets nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren bestehen, weil Verletzungen der Speiseröhre nicht ausgeschlossen werden können und das Erbrochene eingeatmet werden kann, hatte Prof. Dr. Püschel, Leiter des IfR, bereits 1991 erklärt.[97]
Welche Gefahren bei der Gabe des Brechmittels Ipecacuanha zusätzlich auftreten können, z.B. langanhaltender Brechreiz, unstillbares Erbrechen, dass u.a. zu Rissen im Magen und damit einhergehenden lebensgefährlichen Erkrankungen führen kann und dass sogar Herzinfarkte nicht ausgeschlossen werden können, hat das Antirassismus-Büro Bremen in seiner Broschüre „Polizisten, die zum Brechen reizen“ aus dem Jahr 1995 ausführlich dargestellt.
Das Antirassismus-Büro Bremen hat in der Broschüre Interviews mit Betroffenen veröffentlicht, die alle über stunden- bis tagelanges Erbrechen, Übelkeit und Durchfall nach der Brechmittelgabe klagten.[98]
Bei der zwangsweisen Verabreichung mittels Nasen-Magensonde treten naheliegender Weise weitere ernsthafte Gesundheitsgefahren auf. Insbesondere bei Gegenwehr besteht u.a. die Gefahr von Verletzungen der Nasen- und Rachenschleimhäute, des Kehlkopfes und der Stimmbänder, der versehentlichen Einbringung der Sonde in die Luftröhre und die Gefahr der Reizung des Nervus Vagus, die einen reflektorischen Herzstillstand zur Folge haben kann.[99]
Obwohl diese Gefahren für sich sprechen, gab es einen jahrelangen juristische Meinungsstreit darüber, ob die vermeintlich zur Beweissicherung bei Drogendelikten angewandten „Brechmitteleinsätze“ nicht doch mit den Regelungen der Strafprozessordnung im Einklang stünden.
Erst das Urteil des EGMR aus dem Jahr 2006 machte dem ein Ende, indem es klarstellte, dass jedenfalls die zwangsweise Einflößung des Brechmittels durch die Magensonde eine „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ im Sinne des Artikels 3 EMRK ist, die gegen das Folterverbot der Menschenrechtskonvention verstößt und überdies gegen das Recht auf ein faires Verfahren.
So sah es die Mehrheit des Gerichts. Richter*innen, die abweichende Meinungen zur Mehrheit haben, können ein Sondervotum verfassen, das mit der Gerichtsentscheidung veröffentlicht wird.
Während der Richter Zupancic in einer solchen Stellungnahme ausführlich erklärte, dass es sich bei erzwungenen Brechmittelvergaben seiner Auffassung nach um einen „klassischen Fall der Folter im engeren Sinn“ handelt, und Richter Bratza darauf hinwies, dass es beim Folterverbot nicht auf die Schwere einer Straftat ankommen kann, und deshalb die „Verhältnismäßigkeit“ der Beweissicherung durch Brechmitteleinsatz keine Rolle spielt, übernahmen andere Richter, u.a. der Deutsche Georg Ress, die Argumentation Deutschlands, hielten die Brechmttel-Quälerei nicht für eine „unmenschliche und erniedrigende“ Behandlung und erklärten:
„Nichtsdestoweniger hat jede Person, die rechtswidrig mit Betäubungsmitteln handelt, das Risiko repressiver Maßnahmen zu berücksichtigen, die alles andere als angenehm sind. Die angewandten Maßnahmen haben nach unserem Verständnis nicht das Maß für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Artikel 3 der Konvention erreicht“.[100]
Dass von aufgebrachten Schanzenviertelbewohner*innen bis zu hochrangigen Jurist*innen außer acht gelassen wurde, dass nach deutschem und internationalem Recht die Misshandlung Beschuldigter verboten ist, und dass die „Brechmitteleinsätze“ nichts anderes sind, als ein üble, unmenschliche Quälerei, ist eigentlich nur durch die Hysterie erklärlich, mit der der Straßenhandel mit Drogen zum „Schwerverbrechen“ hochstilisiert wurde, und durch den Umstand, dass es immer Menschen traf, die kaum eine Chance hatten, sich zur Wehr zu setzen.
Ein weiterer Aspekt der Verfolgung vermeintlicher Drogenhändler, wie sie in Hamburg stattgefunden hat, ist der der „Strafe vor Ort“. Schon der 4-Stunden-Gewahrsam, der damit gerechtfertigt wurde, vermeintliche Drogenhändler wenigstens zeitweise von der Szene fernzuhalten, obwohl jeweils keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine Straftat vorlagen, die eine Festnahme gerechtfertigt hätten, wirkte sich für die Betroffenen wie eine Bestrafung aus. An „Brennpunkten der Drogenszene“ angetroffen zu werden, und der Polizei verdächtig vorzukommen, zog es nach sich, für vier Stunden eingesperrt zu werden.
Selbstverständlich ist die „Strafe vor Ort“ oder „Polizeistrafe“ in einem Rechtsstaat inakzeptabel.
Über Strafen haben ausschließlich die Gerichte zu entscheiden. Wenn es der Polizei überlassen bleibt, massenweise Menschen einzusperren, damit diese nicht vielleicht mit Drogen handeln könnten, ist das ein bedenklicher Schritt in Richtung Polizeistaat.
Auch die „Brechmitteleinsätze“ wirkten sich als „Polizeistrafe“ auf die Betroffenen aus. Der Leiter des Landeskriminalamtes hatte dies erkannt, als er 2002 sein Amt aufgab.[101]
Auch Jurist*innen kritisierten die „Brechmitteleinsätze“ als Polizeistrafe.[102]
Politiker*innen bemühten sich denn auch, immer wieder zu betonen, es handele sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme, ließen andererseits aber durchblicken, dass der „Abschreckungseffekt“ der Brechmittel-Quälerei ihnen durchaus willkommen war.
In einer Fragestunde der Hamburgischen Bürgerschaft am 12.12.2001, dem Todestag Achidi Johns,
brachte der amtierende Justizsenator Roger Kusch dies zum Ausdruck, indem er sich einerseits gegen den Vorwurf verwahrte, den Tod Betroffener billigend in Kauf zu nehmen andererseits aber sagte, „dass ein Brechmitteleinsatz ohne die Anordnungsmöglichkeit, Brechmittel auch zwangsweise einsetzen zu können, eine völlig sinnlose Maßnahme wäre, die man gleich sein lassen könnte“.[103]
Abgeordnete der Regierungsfraktionen der Bürgerschaft brachten in dieser Sitzung darüber hinaus verklausuliert zum Ausdruck, dass ihrer Meinung nach Achidi John seinen Tod selbst verschuldet, oder ihn sogar verdient hatte.
Dieser „Drogendealer“ sei nicht Opfer, äußerte da zum Beispiel der Abgeordnete Bauer. Opfer seien drogenabhängige Kinder und Jugendliche, die gesundheitlich und sozial verelenden, ein erbärmliches Leben führen und auf öffentlichen Toiletten einen langsamen, qualvollen Drogentod sterben. Seine (Bauers) Betroffenheit über den Tod Achidi Johns halte sich deshalb „sehr in Grenzen“.[104]
Dieser „Drogendealer“ habe dazu beigetragen, dass Menschen ins Elend gestürzt wurden, denen er dieses Teufelszeug verkaufte, nur um wirtschaftlichen Profit zu erzielen. Niemand habe ihn gezwungen, diese Crack-Kugeln zu schlucken. Er hätte das Brechmittel freiwillig trinken können, kam von Seiten der CDU.[105]
Die Brechmitteleinsätze seien unabdingbar, um den Strafanspruch des Staates sicher zu stellen, meinte die FDP. Es gebe ein Restrisiko. „Der Verdächtige“ habe es selbst in der Hand gehabt, dieses Risiko zu reduzieren. „Er hätte die Drogen nicht hinunterschlucken müssen und sich nicht wehren müssen“.[106]
Es ist kaum vorstellbar, dass dem Justizsenator und den Abgeordneten der Subtext ihrer Reden nicht bewusst war: sie postulierten, dass Menschen, die eines BtM-Delikts verdächtigt wurden, durch gefährliche körperliche Misshandlungen, abgeschreckt werden sollten und dass ihre Menschenrechte zu vernachlässigen seien.
Was ist die Androhung schmerzhafter Prozeduren anderes, als die Drohung mit einer Körperstrafe, zumindest in Form großer Übelkeit, im schlimmeren Fall in Form der Einführung einer Sonde in den Körper, die auch bei kooperativen Patient*innen in medizinisch notwendigen Fällen häufig mit Schmerzen, Angst und Erstickungsgefühlen verbunden ist.
In europäischen Rechtsstaaten sind körperliche Misshandlungen Beschuldigter oder von Straftätern selbstverständlich nicht erlaubt und durch die Anti-Foltervorschriften der UN und der EU geächtet. Körperliche Strafen sind in den 2000er Jahren nur noch aus Ländern wie Saudi-Arabien bekannt, in denen Menschen noch immer fürchten müssen, ausgepeitscht zu werden, oder dem Iran, wo die Polizei nach manchen Meldungen noch im Jahr 2009 Dieb*innen die Hände abhacken durfte.[107]
Nachdem Achidi John infolge der erzwungenen Brechmittelverabreichung gestorben war, unternahmen die Strafverfolgungsinstitutionen noch nicht einmal den Versuch, gegen die beteiligten Polizisten und die Ärztin, die ihm das Brechmittel verabreicht hatte, zu ermitteln.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie habe „Vorermittlungen“ aufgenommen, die sich gegen niemanden richteten. „Vorermittlungen“ sind in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Ermittlungen in einer Strafsache richten sich immer gegen Beschuldigte, oder, wenn diese nicht bekannt sind, gegen „Unbekannt“.
Man wolle zunächst einmal prüfen, ob es da überhaupt einen Anfangsverdacht für eine Straftat gebe, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Köhnke.[108]
Angesichts der massiven Gewalt, die auf Achidi Johns Körper eingewirkt hatte, wären in jedem Fall, in dem nicht gerade Polizist*innen und Rechtsmediziner*innen eine Rolle gespielt hätten, selbstverständlich Ermittlungsverfahren gegen diese Personen eingeleitet worden. Es wäre diesen regulären Verfahren vorbehalten gewesen, zu klären, ob die Beamten bei der Anwendung „unmittelbaren Zwangs“, den sie durch das Festhalten Achdidi Johns und die Manipulation seines Kopfes ausgeübt hatten, zu weit gegangen waren und damit eine Ursache für seinen Tod gesetzt haben.
Hinsichtlich der Beteiligung der Ärztin wäre nicht nur zu prüfen gewesen, ob sie Achidi John angesichts seines erregten Zustandes die Sonde überhaupt hätte einführen dürfen, und ob sie dabei Fehler machte, die zum Tod des jungen Mannes führten. Es hätte auch geprüft werden müssen, ob sie wegen ihrer Gleichgültigkeit während und nach dem Legen der Sonde wertvolle Zeit bis zur Reanimation verstreichen ließ, und dadurch die letzte Ursache für seinen Tod setzte.
Im Rahmen der „Vorermittlungen“ wurde Achidi John obduziert und es wurden Befragungen durchgeführt. Nach allem, was wir wissen, befragte die Staatsanwaltschaft die beteiligte Ärztin, die Medizinstudentin und die Polizeibeamten, die direkt für die Tat verantwortlich waren. Weitere Zeug*innen, etwa die Ärzt*innen des Notfallsteams, dass die Gerichtsmedizinerin herbei gerufen hatte, wurden unseres Wissens nicht befragt.[109]
Bei der Obuktion Achidi Johns stellte sich heraus, dass er an einem Herzfehler litt, der angesichts seines Alters und seiner physischen Erscheinung nicht erkennbar gewesen sei. Achidi Johns Tod sei wegen der Herzerkrankung „schicksalhaft“ gewesen, so die Staatsanwaltschaft.[110]
Die Anwält*innen der Eltern Achidi Johns bezweifelten dies, vor allem deshalb, weil sein Herz nach der Reanimation noch geschlagen hat, bis er am 12.12.2001 für Hirntot erklärt wurde.[111]
Dagegen gebe es »massive Hinweise« darauf, dass er nach Gewalteinwirkung insbesondere auf Brust- und Halsbereich und wegen mangelnder Sauerstoffzufuhr durch Würgen zu Tode gekommen ist.[112]
Im Sommer 2002 stellte die Staatsanwaltschaft die „Vorermittlungen“ ein, weil sich kein „Anfangsverdacht“, d.h. keine Hinweise darauf, dass eine Straftat vorliegen könnte, ergeben hätten.[113]
Die Rechtsanwält*innen der Eltern Achidi Johns versuchten danach erfolglos, ein reguläres Ermittlungsverfahren durch einen Antrag beim Oberlandesgericht zu erzwingen.
Die Rolle des UKE
Ohne die Mitwirkung des UKE, insbesondere des Instituts für Rechtsmedizin wäre zumindest in der politischen Gemengelage des Sommers 2001 die Einführung der „Brechmitteleinsätze“ kaum möglich gewesen.
Die noch regierende Rot-Grüne Koalition musste nach ihrem Selbstverständnis sicher gehen, dass die Tortur zumindest unter fachkundiger ärztlicher Aufsicht erfolgte. Während CDU und Schill-Partei mehr oder weniger offen für eine Abschreckung der „Dealer“ durch die Brechmittel warb, bemühten sich SPD-Abgeordnete immer wieder, darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um eine Methode der Beweissicherung handele.
Der Leiter des IfR, Prof. Püschel, beratschlagte mit der Staatsanwaltschaft, wo die „Brechmitteleinsätze“ am besten durchführbar waren. Sie kamen zu dem Schluss, dass das IfR der beste Ort dafür sei, u.a. weil es aus der Innenstadt innerhalb von ca. 15 Minuten erreichbar war. Weil der Mageninhalt zum Zeitpunkt der Festnahme der Betroffenen nach zwei Stunden in den Darm weitergewandert sein konnte, sollte die Verabreichung des Ipecacuanha spätestens in diesem Zeitraum erfolgen.[114]
Das hieß, dass auch die Staatsanwaltschaft, die die „Brechmitteleinsätze“ formal anordnete, sehr schnell entscheiden musste. Es ist kaum vorstellbar, dass die Staatsanwält*innen, die jeweils von der Polizei angerufen wurden, sich die Zeit für eine gründliche Prüfung der Rechtslage nahmen. Die Angaben der Polizei über ihre Beobachtungen und die elektronisch zur Verfügung stehenden Daten über die Betroffenen werden jeweils die einzige Grundlage für die Anordnungen gewesen sein.
Für die „streng medizinische Indikation“, die Prof. Püschel im August 1991 noch als medizinische Voraussetzung für die Herbeiführung von Erbrechen postuliert hatte, weil „beim Erbrechen stets nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren“ bestünden, blieb auch im IfR wenig Zeit.
Am 21.12.2001 legte der Senat einen „Untersuchungsbogen Excorporation“ vor, der 34 Untersuchungen, u.a. der Lunge, des Herzens, der Gefäße und der psychischen Verfassung vorsieht, die die Grundlage der Entscheidung sein sollten, ob der Brechmittelgabe medizinische Gründe entgegenstanden.[115]
Wir wissen nicht, ob dieser umfangreiche Gesundheitscheck vor einer Brechmittelgabe jemals wirklich stattgefunden hat. Wir wissen aber, dass im Fall Achidi Johns kaum eine solche Voruntersuchung stattgefunden haben kann. Um 8.20 wurde er in der Nähe des Hauptbahnhofs festgenommen, um 9.15 Uhr erfolgte bereits die Brechmittelgabe.[116]
Vorausgegangen waren nach allem, was wir wissen, die heftige Gegenwehr Achidi Johns, seine Weigerung, in irgendeiner Weise mit der Ärztin zu kooperieren, also z.B. auch Fragen zu beantworten, falls ihm denn welche gestellt wurden, und die Versuche der Polizeibeamten, ihn auf einen Untersuchungsstuhl zu setzen bzw. in einer Lage zu fixieren, die es der Ärztin erlaubte, die Sonde einzuführen, und die beiden missglückten Versuche, die Sonde einzuführen.
Bereits zwischen 9.20 Uhr und 9.23 Uhr stellte die Medizinstudentin fest, dass er bewusstlos war.[117]
Wir müssen befürchten, dass hier, und auch in anderen Fällen der Brechmittelvergaben im IfR der Frage, ob es Hinweise gab, die gegen die Prozedur sprachen, weniger Gewicht beigemessen wurde, als der Vorgabe, das Brechmittel möglichst schnell zuzuführen, damit verschluckte BtM-Behältnisse noch aus dem Magen hervorgewürgt werden konnten.
Die ab Oktober 2001 regierende Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP fand wegen der Beteiligung der Rechtsmediziner*innen ideale Bedingungen vor, um die Einsätze fortzuführen: Wenn das renommierte IfR mit seinem aus den Medien bekannten, markanten Rechtsmediziner Prof. Dr. Klaus Püschel einen Teil der Verantwortung für die vermeintlich rechtlich abgesicherten Misshandlungen übernahm, war öffentlich darstellbar, dass man sich rechtsstaatlich verhielt.
Der Senat konnte dann auch immer gegen jegliche Kritik die Kompetenz Prof. Püschels und die der Rechtsmediziner*innen des IfR in die Waagschale werfen.
So verwies Justizsenator Carsten-Ludwig Lüdemann bei einer Fragestunde in der Bürgerschaft am 11. Mai 2006, in der er auch der Tod Laye-Alama Condés am 7.1.2005 nach einem gewaltsamen „Brechmitteleinsatz“ in Bremen angesprochen wurde, darauf, dass ihm insbesondere die Mediziner des IfR versichert hätten, „dass nach ihren Vorgaben und begleiteten Maßnahmen die Verabreichung des Brechmittels – insbesondere unter Anwendung von unmittelbarem Zwang – keine Gefahr für die Patienten“ darstelle.[118]
Mit der von Püschel immer wieder vorgebrachten Behauptung, Ipecacuanha sei harmlos und selbst die gewaltsame Beibringung des Brechmittels ungefährlich, unterstützte er auch die Auffassung, es handele sich dabei um eine zulässige Maßnahme nach § 81a der Strafprozessordnung. Denn damit war nach seiner Expertise „kein Nachteil“ für die Gesundheit der Betroffenen „zu befürchten“.
Darauf, dass nach den beiden Todesfällen in Hamburg und Bremen ein Risiko der erzwungenen Brechmittelbeibringung nicht wegdiskutiert werden konnte, hatte Prof. Püschel die Antwort parat, dass nach dem Verschlucken der Betäubungsmittel die Gefahr der Vergiftung drohe, wenn deren Verpackung im Verdauungsapparat undicht wurde, und die Drogen freigesetzt wurden. Das Risiko, das in freigesetzten Drogen im Magen-Darm-Trakt bestehe, sei höher, als das mit einem „Brechmitteleinsatz“ verbundene.[119]
Damit ignorierte er – und mit ihm alle juristisch und politisch Verantwortlichen – den Grundsatz, dass medizinische Behandlungen nur mit Einwilligung des/der Patient*in durchgeführt werden dürfen. Wird dagegen verstoßen, begehen die handelnden Mediziner*innen eine Körperverletzung.
Wäre es darum gegangen, eine Vergiftung der Betroffenen zu verhindern, hätte ganz anders mit ihnen verfahren werden müssen. Sie hätten im Vier-Augen-Gespräch mit dem Arzt/der Ärztin und ggf. im Beisein eine*r Dolmetscher*in über das Risiko aufgeklärt werden müssen. Die Entscheidung, das Brechmittel ggf. zu trinken, hätte anschließend immer noch ihnen selbst überlassen werden müssen.
In seiner Broschüre aus dem Jahr 1995 fasst das Antirassismusbüro Bremen diesen Grundsatz richtig zusammen:
„Die Aufgabe eines Arztes oder einer Ärztin ist es, die von einer Gesundheitsgefahr betroffene Person über die möglichen Risiken aufzuklären und ihr Hilfe anzubieten. Etwaige darauffolgende medizinische Eingriffe haben, zumindest wenn der Patient oder die Patientin bei Bewusstsein ist, auf freiwilliger Basis, d.h. nur bei Einwilligung der oder des Betroffenen zu geschehen. Weigert sich die Person nach ausführlicher und wohlwollender Erläuterung die Anwendung eines Brechmittels zu akzeptieren, so ist die Angelegenheit damit erledigt“.[120]
Den Betroffenen Gewalt anzutun ist damit ebenso unvereinbar, wie die Eile, mit der – wie im Fall Achidi Johns – Gewalt angewendet wurde. In seinem Fall gab es offenbar noch nicht einmal den Versuch der Ärztin, die Situation zu deeskalieren und ihm Beratung anzubieten. Ihm in dieser Situation, in der sein Puls anzeigte, wie aufgeregt er war und wie sehr er sich ängstigte, etwas Zeit zu lassen zur Ruhe zu kommen, und dann mit ihm zu kommunizieren, war offensichtlich nicht vorgesehen. Jegliche menschliche Rücksichtnahme trat hinter dem Ziel zurück, ihm so schnell wie möglich das Brechmittel einzuflößen.
Die taz berichtete, Achidi Johns Herzerkrankung sei in seinem Freundeskreis bekannt gewesen.[121]
Hätte er Gelegenheit gehabt, darüber mit der Ärztin zu sprechen, hätte dies – wie trotz aller Brutalität und Ignoranz im Umgang mit den (Schwarzen) Betroffenen zu hoffen ist – sein Leben retten können, weil auf die Brechmittelvergabe verzichtet worden wäre.
Seine angebliche Sorge um die Gesundheit der Betroffenen nahmen Prof. Püschel, der auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland an dem Verfahren J. gegen die BRD teilnahm, auch die Straßburger Richter*innen nicht ab.
Mit dem Hinweis, dass die Behörden sich auf § 81a Strafprozessordnung gestützt haben, um einen „Brechmitteleinsatz“ als Strafverfolgungsmaßnahme durchzuziehen, und dass es (auch, Anm. d.
Verf.) in dem dem Gericht vorliegenden Einzelfall keine medizinische Risikoabwägung gegeben habe, ob das Verbleiben evtl. im Verdauungsapparat befindlicher Drogen oder die Verabreichung des Brechmittels gefährlicher war, war „der Gerichtshof nicht überzeugt davon, dass die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden, die beanstandete Maßnahme anzuordnen, aus medizinischen Erwägungen gerechtfertigt oder geboten war, d.h. durch das Erfordernis, die Gesundheit des Beschwerdeführers zu schützen. Die Maßnahme zielte vielmehr darauf ab, Beweismittel im Hinblick auf eine Betäubungsmittelstraftat zu erlangen“.[122]
Wie Prof. Püschel zu den Menschen, die ihm vorgeführt wurden, stand, wird auch durch seine Äußerungen vor dem Wissenschaftsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 17.12.2001 deutlich. Die Abgeordneten befragten ihn zu den Umständen des Zusammenbruchs Achidi Johns und zu dem Verfahren der Brechmittelvergabe am IfR. Eine Abgeordnete fragte nach dem Fall eines Fünfzehnjährigen, dem die Magensonde gelegt worden sein sollte, und ob er dies bei einem Fünfzehnjährigen für gerechtfertigt halte.
Der Junge habe beim Schieben der Nasen-Magensonde Drogenbehältnisse ausgespuckt, so dass es nicht mehr zum Einflößen des Brechmittels gekommen sei, antwortete Prof Püschel.
„Dabei gibt es dann zwei Dinge zu berücksichtigen“, führte er weiter aus. „Das eine ist das Problem fiktives Alter - das ist ja heute nicht unser Thema -. Wenn ich bei demjenigen
erkennen würde, dass der alle vier Weisheitszähne in der Kauebene hat und die sind noch
abgeschliffen, dann würde ich davon ausgehen. Das hatten wir kürzlich auch bei einem
Brechmitteleinsatz, der uns als unter 16 angekündigt wurde, und da war genau diese
Situation gegeben. Dann habe ich einen medizinischen Anhalt, davon auszugehen, dass er
älter ist.“[123]
Die Staatsanwaltschaft, (die vor dem Ausschuss erklärt hatte, dass die Strafmündigkeit bereits bei 14jährigen bestehe und daher auch Brechmitteleinsätze bei sehr jungen Betroffenen in Betracht kämen), bestimme, ob der Brechmitteleinsatz rechtmäßig sei, so Püschel.
„Bloß meine medizinische Maßnahme, wie weit ich die ausdehne, das liegt bei mir. Ich hatte eben schon versucht zu erläutern, dieses ist eine Maßnahme, das "Winken" mit der Magensonde hat
sich durchaus als etwas Sinnvolles erwiesen.“
Er räumte allerdings ein, dass einige seiner Mitarbeiter*innen, die an Brechmitteleinsätzen beteiligt waren „ausdrücklich darauf hingewiesen (haben), wenn das ein 14-Jähriger ist, dass für sie die persönliche Entscheidungssituation anders aussieht als bei einem 28-Jährigen“.[124]
Als Abgeordnete thematisierten, dass Achidi John „I will die“ geäußert hatte, war Prof. Püschels Antwort darauf, dass das nicht so ernst genommen werden dürfe:
„Diese Aussage "Ihr bringt mich um, ich sterbe" hören wir immer wieder - ich kann versuchen es nachzuvollziehen, weiß aber nicht, ob es jeder so protokolliert hat. Ich habe das bei jedem zweiten oder dritten Einsatz, den ich durchgeführt habe, gehört. Daher hat der Ausruf "Ich muss sterben, ihr bringt mich um, ihr tötet mich" hinsichtlich der Not und der Dringlichkeit, die Sie jetzt hineininterpretieren, für uns vor Ort weniger Bedeutung. Das ist etwas, das offenbar in der Mentalität dieser Delinquenten liegt, dass sie so eine Aussage relativ häufig machen. Es ist wirklich überhaupt nichts Besonderes“.[125]
Prof. Püschel setzte also bewusst die Androhung der Tortur ein, um den Willen der Betroffenen zu brechen. Seine Ausführungen legen nahe, dass er die Betroffenen bestenfalls als Objekte seiner Hilfstätigkeit für die Verfolgungsbehörden betrachtete und rassistische Zuschreibungen ihrer vemeintlichen „Mentalität“ als Rechtfertigung betrachtete, ihnen das Recht auf menschliche Behandlung abzusprechen.
Indem der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin entgegen aller Proteste aus der Ärzteschaft und trotz vielfältiger Kritik anderer gesellschaftlicher Gruppen an den „Brechmitteleinsätzen“, diese verteidigte und sein Renommée für die rechtsstaats- und menschenrechtswidrigen Verfolgungsinteressen der Behörden in die Waagschale warf, verpasste er der Folter ein medizinisch abgesichertes, wissenschaftlich fundiertes Image.
Seine Mitarbeiter*innen am IfR stellten sich nach allem, was wir wissen, hinter seine Auffassung.
Das UKE, geführt von hochqualifizierten Ärzt*innen schwieg zu der Kritik an der menschenrechtswidrigen Praxis an dem ihm unterstellten Institut. Es ignorierte die klaren Aussagen der Hamburger- und der Bundesärzteschaft sowie großen Teilen der eigenen Belegschaft, nach denen jedenfalls die erzwungene Brechmittelvergabe mit ärztlicher Ethik nicht zu vertreten war.
Damit trägt das UKE die Hauptverantwortung dafür, dass Menschen fünf Jahre lang unter dem Deckmantel medizinischer Sachkenntnis mit Folter bedroht und der Folter unterworfen werden konnten.
Rassismus und Drogenproblematik
Es gibt „eine rassistisch motivierte Gewalt seitens der Polizei. Diese äußert sich zum Einen darin, daß ganz gezielt Menschen aufgrund ihres Äußeren (z.B. „Hautfarbe“) in das Visier polizeilicher Zwangsmaßnahmen genommen werden. Was in anderen europäischen Ländern längst zur Kenntnis genommen werden muß, nämlich daß der Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen, und damit auch bzw. gerade im Polizei- und Sicherheitsapparat ... existent ist und eine enorme, mitunter sogar tödliche Bedrohung für MigrantInnen darstellt, wird im Land der Pogrome vehement geleugnet“, schreibt das Antirassismus-Büro in seiner Broschüre aus dem Jahr 1995.[126]
Wenn – wie in Hamburg - weiße deutsche Polizist*innen Jagd auf Schwarze Menschen machen, sie „in Gruppen gefesselt“ zur Polizeiwache führen, misshandeln und demütigen, und sich sogar auf Anweisung an ihrer Folter durch die „Brechmitteleinsätze“ beteiligen, wenn weiße deutsche Ärzt*innen ihre Zähne besichtigen, um zu entscheiden, ob ihnen als Kindern eine etwas menschlichere Behandlung zuteil kommt oder ob sie als Erwachsene der vollen Brutalität ausgeliefert werden, erscheint eine Diskussion darüber, ob diese Art der Verfolgung Schwarzer Menschen rassistisch motiviert war, obsolet.
Natürlich hatte die Polizei, als deren verlängerter Arm sich die Ärzt*innen des IfR offenbar verstanden, ein Rassismusproblem. Und natürlich handelte es sich um institutionellen Rassismus, wie er heute besonders im Zusammenhang mit Sicherheitskräften als „racial profiling“[127] bezeichnet wird.
„Wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale polizeilich kontrolliert werden, spricht man von Racial Profiling“, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung und beklagt u.a. dass in der BRD – im Gegensatz zu den USA und Großbritannien – institutioneller Rassismus negiert wird.[128]
Die Fixierung der Hamburger Polizei auf Schwarze als „Drogendealer“, die massenhaften Kontrollen und Gewahrsamnahmen belegen, dass dies in Hamburg die polizeiliche Routine war.
Bei ihren Vernehmungen im Zusammenhang mit dem Polizeiskandal gaben einige Polizist*innen an, mit dem Vorgehen gegen die „Dealerszene“, wie z.B. mit den Menschenjagden am Hansaplatz, nicht einverstanden gewesen zu sein.[129]
Soweit wir wissen lehnte sich jedoch keine*r gegen die rassistischen Praktiken auf. Das ist angesichts der hierarchischen Strukturen des Polizeiapparats nicht verwunderlich. Die rassistische Praxis wurde den Beamt*innen als gesetzeskonforme Polizeiarbeit angetragen. War eine Handlung, wie z.B. die Misshandlung Betroffener, eindeutig rechtswidrig, hätten Beamt*innen sofort gegen ihre rechtsbrüchigen Kolleg*innen einschreiten und das Beobachtete zur Anzeige bringen müssen. Taten sie dies nicht – und uns ist kein Fall bekannt, in dem dies geschehen wäre - liefen sie selbst Gefahr, später wegen Strafvereitelung im Amt zur Verantwortung gezogen zu werden. Das war nicht nur angesichts des Kollegialitätsverständnisses unter Polizist*innen kaum zu erwarten. Es hätte auch an der rassistischen Praxis der Kontrollen nach Hautfarbe nichts geändert.
Indem die Politik die „Bekämpfung der Drogenszene“ anordnete und eifrige Polizeioffiziere Schwarze Menschen als Zielgruppe polizeilichen Handelns definierten, schufen sie die Voraussetzung dafür, dass rassistische Denkweisen innerhalb der Polizei salonfähig wurden. Beamt*innen, die das zum Anlass nahmen, sich gegenüber Schwarzen Menschen als „Herrenmenschen“ aufzuspielen, wurde der nötige Freiraum für das Ausleben ihres rassistischen Größenwahns eröffnet. Beamt*innen, die weniger zu rassistischen Denkweisen neigten, wurden darauf eingenordet, Schwarze Menschen zu verdächtigen, mit illegalisierten Drogen zu handeln. Ihnen blieb nur übrig, sich auf andere Dienststellen versetzen zu lassen oder zu kündigen, wenn sie an Derartigem nicht mehr beteiligt sein wollten.
„Institutioneller Rassismus meint systematische Diskriminierung, bei der – mitunter nicht absichtlich - rassistische Zuschreibungen oder Muster reproduziert werden“, schreiben BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Landesverband Hamburg in einem Beschluss vom 30. Mai 2021, beziehen sich auf den Umgang der Polizei mit den Angehörigen des NSU-Opfers Süleyman Taşköprü und beklagen, „wie sehr rechtes Gedankengut auch innerhalb der Sicherheitsbehörden verbreitet ist“.[130]
Wer politisch zur Jagd auf eine bestimmte, anhand ihrer äußerlichen Merkmale definierbaren Gruppe aufruft, muss sich nicht wundern, wenn sich rassistische Denkweisen innerhalb der Polizei breit machen. Und nicht nur dort. Wie die „Dealer-Hysterie“ in den 90er Jahren im Schanzenviertel zeigt, wirken solche Kampagnen auch ins bürgerliche Spektrum der Zivilgesellschaft hinein.
Dass auch einige Geflüchtete Straßenhandel mit illegalisierten Drogen betrieben, ist ebensowenig verwunderlich. Ausgegrenzt von jeder Möglichkeit, auf legale Weise Geld zu verdienen, werden Menschen immer wieder nach Möglichkeiten suchen auf irgendeine Art ein Einkommen zu erzielen, ob als Tellerwäscher*innen ohne Papiere oder als Straßenhändler*innen. Und solange es einen Markt für illegalisierte Drogen gibt, wird es Leute geben, die sie verkaufen.
Natürlich ist es nicht wünschenswert, dass (junge) Menschen sich als Straßenhändler*innen illegalisierter Drogen betätigen. Sie sollten Gelegenheit haben, eine Ausbildung zu machen oder in Jobs mit akzeptablen Löhnen zu arbeiten, anstatt ständiger polizeilicher Repression, dem Hass weiter Teile der deutschen Bevölkerung und den Härten, wie Aggressionen und Gewalt, die in Szenen Marginalisierter leider vorkommen, ausgesetzt zu sein.
Diejenigen, die den Straßenhandel mit Drogen betreiben zu verteufeln und zu jagen, wird nichts an der Problematik der Drogensucht ändern. Ein Flugblatt der Kampagne gegen Brechmitteleinsätze beschreibt den weit verbreiteten Denkfehler so:
„Falsch ist: „Dealer machen unsere Kinder süchtig. Deshalb müssen wir alle Möglichkeiten der Verfolgung von Dealern nutzen – auch Brechmitteleinsätze – um sie zu überführen.“
Richtig ist: Diese Einstellung ist gefährlich und hat wenig mit der Realität, aber eine Menge mit dem Wunsch zu tun, die Verantwortung für den Konsum von Drogen jemand anderem aufzuladen, als dem, der sie konsumiert. Drogenhändler verkaufen Drogen an Menschen, die Drogen kaufen wollen, für die Entstehung der Sucht sind sie nicht verantwortlich.
Für die Entstehung von Sucht gibt es viele Gründe, wie z.B. Gewalt, Lieblosigkeit, Armut und familiäre Suchtstrukturen (Alkohol, Nikotin, Kaffee, Internet, Tabletten usw.), Leistungsdruck und den Wunsch – nicht nur junger Menschen – etwas Neues auszuprobieren oder der Welt, so wie sie ist, zu entfliehen.
Wem es zu unbequem ist, diese Ursachen zu sehen und wer statt dessen auf Verfolgung und Strafe der Drogenhändler setzt, hilft mit, die enorme Nachfrage nach Drogen jeder Art in dieser Gesellschaft zu steigern.“
Wie sehr rassistische Denkweisen das Bild von Politik, Polizei und Gesellschaft im Zusammenhang mit der Stigmatisierung Schwarzer Menschen als „Drogendealer“ geprägt haben, wird auch daran deutlich, dass seitens der Polizei zwischen „kranken Süchtigen“ und „verbrecherischen Händlern“ unterschieden wurde. Dies ist natürlich bestenfalls weltfremd. Zur sogenannten „Beschaffungskriminalität“ gehört, dass auch Süchtige mit, meist kleinen Mengen, Drogen handeln, um ihren Konsum zu finanzieren. Umgekehrt konsumieren auch Menschen, die sich sich mit dem Verkauf von „Stoff“ finanzieren, häufig Drogen.[131]
Christian Arndt machte in seinem Beitrag in der Zeitung der kritischen Polizistinnen und Polizisten[132]auf die Doppelmoral aufmerksam, mit der das „Drogenproblem“ in Hamburg angegangen wurde und zitiert einen Zeitungsartikel in der „welt“ vom 18.2.2002 über eine kriminologische Langzeitstudie: „In der Partyszene werde der Konsum in der Privatwohnung verabredet. Das Kokain werde dabei von szenebekannten Dealern geliefert. Jeder Konsument habe feste Ansprechpartner. „Das Verhältnis ist dabei fast innig“, so Kemper. So lieferten einige Dealer Nasentropfen für beschädigte Schleimhäute gleich mit.“
So dürfte auch der damalige Innensenator Schill, unter dessen Verantwortung Achidi John starb, Kokain konsumiert haben, wenn den zahlreichen Berichten, nach denen er in der einschlägigen Szene verkehrte, geglaubt werden kann.[133]
Mit der „Bekämpfung der offenen Drogenszene“ richtete sich der Blick auf Menschen, die nicht die Mittel hatten, so gepflegt zu konsumieren bzw. als geachtete Vertrauensperson zu verkaufen. Beiden blieb und bleibt nur die Straße, verbunden mit dem ständigen Stress durch die Verfolgung seitens der Polizei.
Mit der Verfolgung der „Straßendealer“ ist auch Suchtkranken nicht geholfen, sondern sie verschlimmert ihre Situation. „Der Stoff wird teurer… Die Konsument*innen suchen ihre Dealer durch die innerstädtische Verdrängung in der ganzen Stadt auf, sie erscheinen nicht mehr so häufig in den Drogeneinrichtungen und sind somit weniger ansprechbar“, schreibt Christian Arndt in der „unbequem“. [134]
Auch indem solche Tatsachen ignoriert wurden, wurde ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem Schwarzen Menschen jeder Anspruch auf Empathie und menschenwürdige Behandlung abgesprochen werden konnte, wenn sie des Drogenhandels verdächtigt wurden.
Brechmittelvergabe nach dem Sommer 2006
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Juli 2006 nahm der Senat widerwillig Abstand von der zwangsweisen Einflößung des Brechmittels. Mit der Magensonde konnte nun nicht mehr gedroht werden.
Die „Brechmitteleinsätze“ im IfR wurden fortgeführt. Den Betroffenen wurde jeweils vermittelt, wenn sie das Brechmittel Ipecacuanha „freiwillig“ tränken, ließe sich ggf. die Untersuchungshaft oder jedenfalls die Unterbringung in einem Raum des Untersuchungsgefängnisses mit Drogentoilette vermeiden.[135]
Die Gabe des Ipecahuanha-Sirups ist auch dann mit Gefahren verbunden, wenn sie nicht erzwungen wird. Die darin enthaltenen Alkaloide sind Gifte, die sich beispielsweise auf die Funktion des Herzens und des zentralen Nervensystems schädlich auswirken können. Als mögliche Nebenwirkungen sind unstillbares Erbrechen, (blutiger) Durchfall, Müdigkeit, krampfartige erstickende Hustenanfälle, Lethargie, Muskelschwäche oder -steifheit, Herzrhythmusstörungen, Speiseröhrenentzündung, sowie ein beschleunigter Puls zu nennen. Als Folge der Anstrengung beim Erbrechen können Blutungen auftreten. Da der Brechreiz oft auch nach der Leerung des Magens anhält, wodurch die betroffene Person ein andauerndes, erfolgloses Verlangen sich zu erbrechen verspürt, kann es zu Rissen im Magen und in der Speiseröhre kommen.[136]
Die Brechmittelvergaben wurden erst im November 2020 eingestellt. Nunmehr erklärte der Hamburger Senat in seiner Presseerklärung vom 2.7.2021, der Einsatz von Brechmitteln sei unverhältnismäßig, die Prozedur sei mit gesundheitlichen Risiken verbunden, wie die Vergangenheit zeige. Diese Entscheidung beruhe auf einer Neubewertung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.[137]
Die Gefahr, dass wieder Menschen diesen Gesundheitsgefahren ausgesetzt werden, scheint gebannt.
Ist sie es wirklich? Bei der Frage der „Verhältnismäßigkeit“ geht es u.a. um eine Bewertung der Straftat, für die die Methode der Beweissicherung durch den Einsatz von Brechmitteln in Betracht kommen soll. Übersetzt heißt das: Je schlimmer das Vergehen, desto weniger Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Betroffenen. Dass diese Haltung weder mit den rechtlichen noch mit den ethischen Prinzipien Europas [138]übereinstimmen kann, versteht sich eigentlich von selbst. Stellt eine Regierung auf die Verhältnismäßigkeit der „Brechmitteleinsätze“ ab, hält sie sich im Grunde ein Türchen offen, bei einer anderen Bewertung z.B. des Ausmaßes des Straßenhandels mit illegalisierten Drogen oder bei der Beurteilung eines Menschen als sog. „Intensivdealer*in“ die Brechmittelvergabe wieder einzuführen.
In Hamburg lehnte ein SPD - Senat die Brechmittelvergaben 1991 ab. Ein Rot-Grüner Senat führte sie 2001 ein. Eine Koalition aus CDU, FDP und einer „rechtspopulistischen“ Partei war bereit, über Leichen zu gehen, um sie fortzuführen. Ein Rot-Grüner Senat hielt an der „freiwilligen“ Brechmittelvergabe bis 2020 fest. Wie die Berichte über vermeintliche Drogenrazzien, v.a. an der Balduintreppe zeigen[139], existiert das Zerrbild vom „schwarzen Dealer“ ungebrochen weiter.
Angesichts der law-and-order-Fixierung von SPD und CDU, angesichts der bedenklichen Hinwendung von Teilen der CDU zur AfD bleibt abzuwarten, von welchen Koalitionen Hamburg nach den nächsten Bürgerschaftswahlen regiert wird. Egal welche der politischen Parteien, die bislang Hamburg regierten die Macht übernehmen wird: eine Abkehr vom racist profiling und menschenunwürdiger Behandlung Schwarzer Menschen vor dem Hintergrund der Drogenhysterie ist leider ebensowenig zu erwarten, wie eine Drogenpolitik, die sich auf hilfreiche sozialpolitische Konzepte sowohl für Konsument*innen als auch für Straßenhändler*innen illegalisierter Drogen konzentriert. Hält eine der nächsten Regierungen zumindest die „freiwillige“ Brechmittelvergabe wieder für verhältnismäßig, kann und wird sie wieder eingeführt werden.
Warum wir im Jahr 2021 Achidi Johns gedenken
In diesem Jahr jährt sich der Todestag Achidi Johns zum 20. mal.
Wir wollen des jungen Mannes aus Nigeria, der hier auf so furchtbare Weise ums Leben kam, gedenken. Und wir wollen, dass sich die Verantwortlichen für seinen Tod in Politik, Justiz, Polizei und Ärzt*innenschaft mit der Ungeheuerlichkeit auseinandersetzen, dass im Hamburger Polizeigewahrsam ein Mensch mit Beteiligung einer Ärztin zu Tode gequält wurde.
In Bremen, wo seit 1992 die zwangsweise Brechmitteleinflößung praktiziert wurde und wo im Januar 2005 Laye-Alama Condé unter ähnlichen Umständen starb, hat die kontinuierliche politische Arbeit von Aktivist*innen erste Ergebnisse im Sinne einer Aufarbeitung gezeigt.
Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf, der als Justizsenator 1992 die landesrechtlichen Grundlagen für die Brechmittelpraxis geschaffen und sie bis dahin stets verteidigt hatte, erklärte 2017:„Ich fühle mich schuldig, dass ich den Tod dieses Menschen möglich gemacht oder zumindest dieses Verfahren gerechtfertigt habe.“[140]
Bremens Polizeipräsident Lutz Müller hängte ein Bild Laye-Alama Condés in seinen Räumen im Präsidium auf und äußerte: „Niemand darf unter polizeilicher Obhut ums Leben oder nachhaltig zu Schaden kommen – Punkt“[141].
Im Juli 2020 beschloss die Bremische Bürgerschaft auf Antrag der Fraktionen von „Bündnis90/Die Grünen, DIE LINKE und der SPD sich öffentlich bei allen Betroffenen zu entschuldigen. Sie sei sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst, die unmenschliche und erniedrigende Behandlung jahrelang zugelassen zu haben. Darüber hinaus befürwortet sie in ihrem Beschluss eine Initiative, im öffentlichen Raum der Bremer Innenstadt einen dauerhaften Ort zu schaffen zum Gedenken an das Geschehen und zur Mahnung daran, dass niemand in polizeilicher Obhut einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterzogen werden, nachhaltig zu Schaden oder ums Leben kommen darf.[142] 60.000 Euro Haushaltsmittel wurden dafür bewilligt[143].
Mit ihrem Antrag vom 6.10.2021[144] brachte die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft ähnliche Forderungen ein. Bei der Debatte des Antrages in der Bürgerschaftssitzung am 20.10.2021 rangen sich alle Redner die Aussage ab, dass sie den Tod Achidi Johns bedauerten, ohne jedoch Verantwortung zu übernehmen.
Lediglich der Abgeordnete Zamory (DIE GRÜNEN) äußerte sich dahingehend, dass er sich Vorwürfe mache, der Einführung der Brechmittelvergaben im Jahr 2001 zugestimmt zu haben.
Der Abgeordnete Tabbert (SPD) tischte erneut alle seit den 1990er Jahren bekannten Argumente für die „Brechmitteleinsätze“ auf, die darauf hinaus liefen, „Brechmitteleinsätze“ seien damals üblich und rechtmäßig gewesen, man sei sich keiner Schuld bewusst. Der Abgeordnete Graage (CDU) schloss sich Tabbert an, und wies das Ansinnen, einen Gedenkort für einen „Dealer“ zu schaffen, als Zumutung für Familien zurück, die mit Drogenproblemen zu kämpfen hätten. Der Abgeordnete Nockemann (AfD), der als Innensenator die „Brechmitteleinsätze“ in der Zeit von August 2003 bis März 2004 zu verantworten hatte, empfand den Antrag erwartungsgemäß als „unerträglich“. Von Folter könne keine Rede sein, weil es keine Absicht gegeben habe, zu foltern.[145]
Wir haben im Juli 2021 in einem Brief den Vorstand des UKE[146] unter anderem gefragt, wie er heute dazu steht, dass unter der Verantwortung des UKE Menschen fünf Jahre lang gefoltert bzw. mit Folter bedroht worden sind, und welche Konsequenzen aus diesen Tatsachen gezogen wurden.
Ob es eine interne Aufarbeitung gab. Ob es Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass erneut bei ihm tätige Ärzt*innen menschenrechtswidrige Handlungen an Menschen vornehmen, um vermeintliche staatliche Strafverfolgungsinteressen zu unterstützen. Ob sich seither die Ausbildung von Ärzt*innen am UKE und insbesondere am IfR dahingehend verändert hat, dass derartige Menschenrechtsverletzungen durch Ärzt*innen zukünftig ausgeschlossen sind.
Als Antwort[147] kam ein Hinweis darauf, dass das UKE erst kürzlich eine parlamentarische Anfrage dazu beantwortet habe und, als Anlage zu diesem kurzen Brief, vierundzwanzig Antworten des Senats auf parlamentarische Anfragen und Bürgerschaftsprotokolle. Die meisten dieser Bürgerschaftsdrucksachen stammten aus den Jahren 2001 bis 2006, und aus keiner ergab sich eine Antwort auf unsere Fragen. Außerdem waren alle öffentlich zugänglich und uns bereits bekannt.
Zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen holt der Senat zwar Auskünfte bei den Institutionen ein, die von den Fragen betroffen sind. Was er der Bürgerschaft letztendlich antwortet, gibt aber lediglich die Haltung des Senats wieder, nicht die der Institution.
Wir können diese Art der Antwort nur als Weigerung des UKE verstehen, in irgendeiner Weise selbst Stellung zu beziehen. Wenn trotz der Proteste der Hamburger Ärztekammer, des Bundesärztetages, weiter Teile der eigenen Belegschaft (soweit sie nicht dem IfR angehörte), gewerkschaftlicher und anderer Gruppen, die auf die Verletzung der Menschenwürde durch die gewaltsame Brechmitteleinflößung hinwiesen, und trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das diese als Verstoß gegen das Folterverbot brandmarkte, bis heute keine Aufarbeitung im UKE als Institution stattgefunden hat, ist dies besorgniserregend.
Die Gefahr, dass sich das Institut für Rechtsmedizin weiterhin als verlängerter Arm der Strafverfolgungsbehörden betrachtet, jedwede von der Regierung gewünschte und medizinisch irgendwie durchführbare Maßnahme an vermeintlich rechtsbrüchigen Menschen durchführt, und dabei von der Klinikleitung gedeckt wird, besteht deshalb nach wie vor.
An die Verantwortung insbesondere des UKE für Achidi Johns Leiden und Sterben zu erinnern, ist deshalb gleichermaßen seinem Andenken geschuldet, wie der Notwendigkeit, sich der nach wie vor bestehenden Gefahr rassistischer Menscherechtsverletzungen unter Beteiligung von Ärzt*innen bewusst zu bleiben.
Deshalb fordern wir – zunächst – vor allem vom UKE das Eingeständnis seiner Mitverantwortung an den Menschenrechtsverletzungen, eine Aufarbeitung der Beteiligung des IfR daran und einen Gedenkort für Achidi John und alle anderen Betroffenen, die hier mit Folter bedroht oder ihr sogar unterworfen wurden, auf dem Gelände des UKE.
Hamburg im Oktober 2021
überarbeitet im September 2024
Initiative zum Gedenken an Achidi John
Anhang:
Flugblatt Mach meinen Dealer nicht an
Mitteilung an den Antifolterausschuss der UN
Antrag der Fraktion Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft
[1] Rechtssache J. gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 54810/00), www.bmjv.de/SharedDocs/EGMR/DE/20060711_54810-00.html;jsessionid=EC1B100B42B6A4D8D4D97F0FA7F8EA62.1_cid334
[2] Wir verwenden statt des bekannten „racial profiling“ den Begriff „racist profiling“ weil wir den Begriff der „Rasse“ („racial“) grundsätzlich ablehnen. Er wurde erfunden um rassistische Konzepte der Ungleichheit zu rechtfertigen. Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes oder ihrer vermeintlichen kulturellen Zugehörigkeit zu kriminalisieren ist rassistisch und sollte auch entsprechend benannt werden.
[3] Hamburger Abendblatt vom 9.8.1991
[4] Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hamburger Polizei“ vom 13.11.1996, Drucksachennummer (PUA-Bericht) Drucksachennummer (DRS) 15/6200, S. 467
[5] taz vom 9.11.1996
[6] PUA - Bericht, S. 299 ff; Der Untersuchungsausschuss befasste sich darüber hinaus noch mit anderen Polizeiwachen, Einzelfällen mutmaßlich rassistischer oder rechtsradikaler Natur und den Strukturen der Polizei, PUA-Bericht S. 5 ff)
[7] PUA-Bericht S. 299 bis 340 und S. 417 ff
[8] PUA-Bericht S. 427 f
[9] BGS, heute Bundespolizei
[10] PUA-Bericht S. 430 f
[11] PUA-Bericht S. 441
[12] PUA-Bericht S. 441
[13] PUA-Bericht S. 474
[14] PUA-Bericht S. 471
[15] Koordinationsstelle zur Bekämpfung der offenen Drogenszene (KoRa), eine Planungs- und Führungsgruppe der Polizei, PUA-Bericht S. 430
[16] PUA-Bericht S. 471f
[17] PUA-Bericht S. 472
[18] PUA-Bericht S. 441 und S. 472
[19] PUA-Bericht S. 286
[20] PUA-Bericht S. 442
[21] PUA-Bericht S. 438
[22] PUA-Bericht S. 474f
[23] PUA-Bericht 431,461 f, 480f
[24] PUA-Bericht S. 435f
[25] PUA-Bericht S. 464
[26] PUA-Bericht S. 418 f
[27] PUA-Bericht S. 333 ff
[28] Polizeiobermeister, Dienstgradbezeichnung
[29] PUA-Bericht S. 314 f
[30] Polizeihauptkommissar, Dienstgradbezeichnung
[31] Polizeirevierwache
[32] PUA-Bericht S. 446 ff
[33] PUA-Bericht S. 474
[34] PUA-Bericht S. 316
[35] Polizeimeister, Dienstgradbezeichnung
[36] PUA-Bericht S. 316
[37] Wer sich selbst ein genaueres Bild machen möchte, kann den Bericht vom 13.11.1996 mit der Drucksachennummer 15/6200 bei der Parlamentsdokumentation der Hamburgischen Bürgerschaft (https://www.hamburgische-buergerschaft.de) einsehen bzw. beziehen.
[38] PUA-Bericht S. 451, S. 476
[39] PUA-Bericht S. 450
[40] Polizeirevier
[41] PUA-Bericht S. 476
[42] PUA-Bericht S. 451
[43] PUA-Bericht S. 621
[44] PUA-Bericht S. 621
[45] PUA-Bericht S. 623
[46] PUA-Bericht S. 622
[47] PUA-Bericht S. 624
[48] PUA-Bericht S. 641f
[49] PUA-Bericht S. 642
[50] PUA-Bericht S. 642
[51] PUA-Bericht S. 642
[52] PUA-Bericht S. 628
[53] PUA-Bericht S. 628, S. 635 ff, S. 642 f
[54] PUA-Bericht S. 1.068 ff
[55] de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Polizeikommission
[56] Erstmals erschienen in konkret 12/1997, auch in: Drogendealer – Ansichten eines verrufenen Gewerbes, Lambertus Verlag 1998
[57] Siehe Flugblatt im Anhang
[58] Siehe Flugblatt im Anhang. Der Titel ist an die antirassistische Kampagne „Ne touche pas mon copain“ (Fass meinen Kumpel nicht an) in Frankreich angelehnt
[59] Siehe Flugblatt im Anhang
[60] Bügerschaftsdrucksache 16/1322
[61] Plenarprotokoll 16/91, S. 4559 ff
[62] Plenarprotokoll 16/91 S. 4564
[63] Plenarprotokoll 16/91 S. 4562
[64] Plenarprotokoll 16/91 S. 4560
[65] Plenarprotokoll 16/91 S. 4560, 4563, 4568
[66] Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses am 12.12.2001 DRS 17/1, S. 7
[67] https://www.hamburg-global.de/v1.0/placemarks/16#
[68] Stern 97/2002 S. 62 ff
[69] de.wikipedia.org/wiki/Biafra; www.documenta14.de/de/calendar/23285/biafras-children
[70] www.tagesspiegel.de/politik/oelkonzern-shell-in-nigeria-an-skrupellosigkeit-kaum-zu-ueberbieten/10289014.html; www.amnesty.ch/de/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/fallbeispiele/nigeria/dok/2020/shell-muss-endlich-verantwortung-tragen
[71] Stern 97/2002 S. 62 ff
[72] Stern 97/2002; Antwort des Senats auf die Parlamentarische Anfrage vom 16.7.2002, DRS 17/1139
[73] unbequem, Zeitung der kritischen Polizistinnen und Polizisten, Ausgabe 49, Juli 2002, S. 4
[74] freitag 21.12.2001 https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/todesstrafe-durch-die-hintertur
[75] Deutsches Arztebl 2001; 98(51-52): A-3409 / B-2873 / C-2669; www.aerzteblatt.de/archiv/29899/Brechmitteleinsatz-Nicht-gegen-den-Willen-des-Betroffenen
[76] taz vom 22.12.2001
[77] Presseinformation der Ärztekammer Hamburg vom 13.7.2006
[78] Beschlussprotokoll 105. Dt. Ärztetag 2002, www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/beschlussprotokolle-ab-1996/105-daet-2002/zu-punkt-vi-der-tagesordnung-taetigkeitsbericht-der-bundesaerztekammer/ethische-fragen-der-gesundheitsversorgung/3-brechmitteleinsatz-bei-drogendelikten/
[79] taz vom 16.1.2002
[80] Cilip, 9.2.2002, https://www.cilip.de/2002/02/09/etwas-von-folter-toedlicher-brechmitteleinsatz-in-hamburg/; Hamburger Polizei Journal Nr. 1/2019
[81] Parlamentarische Anfrage DRS 17/242 mit Zitat Hamburger Abendblatt vom 18.1.2002
[82] Siehe Brief an das UKE vom 2.8.06 und Strafanzeige vom 6.12.06 im Anhang
[83] Siehe Werbepostkarte in Anhang
[84] Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Rechtssache J. gegen Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 54810/00) Randnr. 130
[85] Antworten des Senats auf die parlamentarischen Anfragen vom 21.12.2001, DRS 17/158 und vom 24.6.2021, DRS 22/5076
[86] Antworten des Senats auf die parlamentarische Anfragen betreffend den Zeitraum 12.8.2001 bis 13.9.2005, Drucksachennummern 17/158, 17/347, 17/737, 17/1300, 17/1803, 17/2658, 17/3554, 18/121, 18/1169, 18/1624, 18/2893
[87] Antwort des Senats auf die parlamentarische Anfrage vom 21.12.2001, DRS 17/158
[88] Siehe Fußnote 83
[89] Antwort des Senats auf die parlamentarische Anfrage vom 25.7.2006, DRS 18/4680
[90] Siehe Fußnote 83
[91] Siehe Fußnote 83
[92] Antwort des Senats auf die parlamentarische Anfrage vom 21.12.2001, DRS 17/158
[93] Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 25.6.2002, DRS 17/1088
[94] PUA-Bericht S. 431
[95] PUA-Bericht S. 462
[96] PUA-Bericht S.464
[97] PUA-Bericht S. 451
[98] brechmittelfolter-bremen.de/dokumentation/polizei-8/
[99] freitag vom 21.12.2001, „Todesstrafe durch die Hintertür“, M. Carini, www.freitag.de/autoren/der-freitag/todesstrafe-durch-die-hintertur
[100] Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Rechtssache J. gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 54810/00)
[101] Siehe Fußnote 78
[102] Helmut Pollähne in Cilip 2005 www.cilip.de/2005/01/30/bis-zum-ausscheiden-der-beweismittel-nach-dem-bremer-brechmitteltod-weiter-mit-stuhlhaft/
[103] Plenarprotokoll, Sitzung am 12.12.2001, DRS 17/5, S.141f
[104] MdBü Bauer (RPO), S. 140
[105] MdBü Lenders (CDU), S. 139
[106] MdBü Schrader (FDP), S. 141
[107] https://www.amnesty.de/2015/5/6/fragen-und-antworten-zu-den-themen-koerperstrafen-und-folterverbot; www.n-tv.de/panorama/Haende-werden-wieder-abgehackt-article582897.html
[108] Wortprotokoll der Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 12.12.2001, S. 9
[109] taz 07.12.2002
[110] https://www.hintergrund.de/politik/inland/denn-sie-wissen-nicht-was-sie-tun/ ; unbequem, Zeitung kritischer Polizistinnen und Polizisten, Ausgabe 49, Juli 2002, S. 3
[111] taz 7.12.2002
[112] nd 6.2.2003, www.nd-aktuell.de/artikel/30483.ermittlungen-zu-todesfolgen-eingestellt.html
[113] taz vom 7.12.2002
[114] Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 17.12.2001, DRS 17/2, S. 21 f
[115] Antwort des Senats auf die Parlamentarische Anfrage vom 21.12.2001 DRS 17/158
[116] Antwort des Senats auf die Parlamentarische Anfrage vom 16.7.2002, DRS 17/1139
[117] Antwort des Senats auf die Parlamentarische Anfrage vom 16.7.2002, DRS 17/1139
[118] Plenarprotokoll der Bürgerschaftssitzung am 11. Mai 2006 DRS 18/57, S. 2923
[119] Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 17.12.2001, DRS 17/2, S. 16
[120] https://brechmittelfolter-bremen.de/mediapool/broschuere_des_anti-rassismusbueros_bremen_1995_-_polizisten_die_zum_brechen_reizen.pdf, S. 33 f
[121] taz vom 22.4.2002
[122] Rechtssache J. gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 54810/0) Randnr. 75
[123] Anmerkung d. Verf.: Mit der sogenannten „Altersbestimmung“ bei jungen Geflüchteten befasste sich Prof. Püschel auch in den folgenden Jahren. Am Institut für Rechtsmedizin des UKE betrieb eine Arbeitsgruppe aus Medizinern, Zahnärzten und Anthropologen „Altersdiagnostik“. Dabei wurden neben Röntgenuntersuchungen des Kiefers, der Hände und des Schlüsselbeines auch die Zähne und die Geschlechtsteile der Jugendlichen „in Augenschein genommen“. Antwort des Senats auf die parlamentarische Anfrage vom 23.6.2015, DRS 21/816; welt vom 1.7.2015; Hintergrund es Verfahrens ist, dass minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten z.B. eine Betreuung durch das Jugendamt zusteht, sie nicht in andere Bundesländer „verteilt“ werden, und dass sie einen etwas besseren Schutz vor Abschiebung genießen.
[124] Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 17.12.2001, DRS 17/2, S. 23f
[125] Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 17.12.2001, DRS 17/2, S. 32
[126] (https://brechmittelfolter-bremen.de/mediapool/broschuere_des_anti-rassismusbueros_bremen_1995_-_polizisten_die_zum_brechen_reizen.pdf, S. 17f
[127] Um die Debatte korrekt wiedergeben zu können, bleiben wir hier bei dem von uns kritisierten Begriff des „racial“ profiling
[128] www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/308350/racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventionsmoeglichkeiten
[129] PUA-Bericht 446 f.
[130] beschluss.gruene-hamburg.de/2021/05/30/antifaschismus-heisst-konsequente-aufklaerung-offenlegung-von-rechtsextremen-strukturen-und-strukturellem-rassismus/
[131]Anmerkung d. Verf.: Im Falle Achidi Johns soll sich aus der Obduktion seines Leichnams ergeben haben, dass bei ihm eine Herzschädigung u.a. wegen Kokainkonsums vorlag. U.a. nd vom 6.2.2003, https://www.nd-aktuell.de/artikel/30483.ermittlungen-zu-todesfolgen-eingestellt.html; parlamentarische Anfrage vom 5.7.2002 DRS 17/1084
[132] unbequem, Ausgabe 49, Juli 2002, S. 5
[133] welt vom 7.3.2008, https://www.welt.de/politik/article1772402/Der-gnadenlose-Absturz-des-Ronald-Schill.html; de.wikipedia.org/wiki/Ronald_Schill
[134] Ausgabe 49, Juli 2002, S. 7
[135] Antwort des Senats auf die parlamentarische Anfrage vom 19.2.2007, DRS 18/5851
[136] https://de.wikipedia.org/wiki/Brechwurzel; https://brechmittelfolter-bremen.de/mediapool/broschuere_des_anti-rassismusbueros_bremen_1995_-_polizisten_die_zum_brechen_reizen.pdf, S. 38 und 84 mit Zitat Fachliteratur von 1993
[137] www.hamburg.de/nachrichten-hamburg/15235522/hamburg-zieht-schlussstrich-unter-brechmitteleinsatz/
[138]Allerdings stellte auch der EGMR in seiner Entscheidung aus 2006 (siehe Fn 1) auf die Unverhältnismäßigkeit der zwangsweisen Brechmittelvergaben ab. Deshalb legte Richter Bratza in seinem Sondervotum zum Urteil dar, dass es angesichts der Folter nicht auf die Verhältnismäßigkeit ankommen darf.
[139] Z.B. Bild vom 29.7.21 www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/drogen-razzia-an-der-hafenstrasse-kokain-und-marihuana-versteckt-im-hinterhof-77227310.bild.html
[140] taz vom 6.1.2017
[141] Siehe Fn 138
[142] Bremische Bürgerschaft, Antrag vom 2.7.2020 ,DRS 20/521
[143] Taz vom 3.7.2020
[144] Bürgerschaftsantrag, DRS 22/5949, siehe Anhang
[145] https://mediathek.buergerschaft-hh.de/sitzung/22/34/, dort TOP 58
[146] Brief an das UKE vom 16.7.2021, siehe Anhang
[147] Antwort des UKE vom 12.8.2021, siehe Anhang
Kontakt
Initiative zum Gedenken an Achidi John
c/o GWA St. Pauli
Hein-Köllisch-Platz 11
20359 Hamburg
Ansprechpartner in der GWA St. Pauli
Steffen Jörg (er/ihm)
Stadtteilarbeit (in Elternzeit)
- Telefon: 040 410 9887 31
- Fax: 040 410 9887 57
- E-Mail: steffen.joerg@gwa-stpauli.de
- Sprachkenntnisse: english
- Twitter:@steffen_joerg